Traditionshaus mit Neustart
Plüsch und Kugellampen im neuen Cafe Museum
18.10.2010
Preise passen sich dem edlen Interieur an. Melange kostet 4,40 Euro.
Ein Wiener Traditionskaffeehaus versucht den Neustart: Das 111 Jahre alte Cafe Museum am Karlsplatz hat nach monatelangem Umbau wieder geöffnet. Neo-Betreiber und Landtmann-Chef Berndt Querfeld ließ das vormalige, an Adolf Loos angelehnte Interieur entfernen und setzt auf Plüschbänke und Sitzkojen, die den Entwürfen von Josef Zotti nachempfunden sind. Diese haben bereits ab den 1930er Jahren das Lokal rund 70 Jahre lang geprägt. "Unser Ziel war es, wieder Gemütlichkeit reinzubringen", erläuterte Querfeld bei der Eröffnung am Montag sein Konzept.
Melange um 4,40 Euro
Anders als nach dem Loos-Rückbau im Jahr 2003, der - wenig erfolgreich - auf freie Tischaufstellung und kühle Schlichtheit setzte, prägen jetzt wieder mit rotem Backhausen-Stoff überzogene, halbrunde Sitznischen und Wandbänke das Cafe. Marmortische, Thonetstühle - ein Modell aus dem Jahr 1911 - in klassischem Schwarz, 35 messingvernickelte Wandleuchten und neun große Metallkugellampen, in denen sich die Innenräume spiegeln, sollen darüber hinaus für authentische Wiener Kaffeehausatmosphäre sorgen.
Exakt 207 Gäste finden in dem rundum renovierten ehemaligen Künstler- und Literatentreff Platz. Man wolle frühere Stammgäste zurückgewinnen, auch Schachspielen - früher ein Dauersport im Museum - ist erlaubt, versicherte Hausherrin Irmgard Querfeld. Ob sich das alteingesessene Publikum, das in Folge des Loos-Umbaus teils ausgeblieben war, angesichts des durchwegs hochpreisigen Angebots wieder einfindet, wird sich weisen. Für eine Melange muss man jedenfalls 4,40 Euro berappen, eine Kanne Tee schlägt gar mit 4,60 Euro zu Buche und eine 0,33-Liter-Flasche Cola kommt immerhin auf 3,50 Euro.
Kostenloser Internetzugang
Serviert werden Mittagsmenüs, Hauptspeisen und kleineren Kaffeehausgerichte, etwa ein Schinken-Käse-Toast mit Ketchup und Sauce Tartare um 6,50 Euro. Daneben können sich Torten- und Mehlspeisliebhaber mit Süßem aus der hauseigenen Patisserie versorgen. Für Laptopbenutzer gibt es Steckdosen und kostenlosen Internetzugang. Für Raucher stehen im hinteren Teil des Etablissements zwei Räume zur Verfügung. Geöffnet ist das Cafe täglich zwischen 8.00 und 24.00 Uhr.
Für die Rekonstruktion der Zotti-Einrichtung durchforsteten die Querfelds mit Architekt Hans-Peter Schwarz diverse Kellerräume sowie Garagen und Lager privater Sammler. Unter anderem seien 40 desolate Originalstühle, eine Reihe von Tischfüßen, die nun nachgegossen wurden, und 19 alte Wandlampen aufgetaucht, erzählte der neue Pächter, der auch Spartenobmann der Kaffeesieder ist.
Budget deutlich überschritten
Auch in Sachen räumliche Gegebenheiten sei man vor Herausforderungen gestanden. So steht dem Personal lediglich eine Küche von acht Quadratmetern zur Verfügung. Zudem "müssen unsere Lieferanten sehr fit sein", da sämtliche Waren im Keller gelagert werden müssen, der lediglich über eine äußerst schmale Treppe zugänglich sei, so Irmgard Querfeld.
Laut Betreiber habe man die ursprünglich budgetierten 500.000 Euro deutlich überschritten. Querfeld nahm die Mehrkosten heute allerdings sichtlich gelassen. Er habe seiner Bank gesagt, dass es für das Lokal keinen Businessplan gebe: "Wie viel Umsatz wir machen werden? Keine Ahnung. Wir müssen nicht davon leben, wir haben Gott sei Dank noch andere Lokale." Das Cafe Museum ist der mittlerweile achte Standort des Wiener Kaffeehausmoguls. Neben dem Landtmann betreibt Querfeld etwa die innerstädtischen Cafes Mozart und Hofburg oder das Cafe Residenz in Schönbrunn.
Erstmals eröffnet wurde das Traditionscafe, das in einem der ältesten Gebäude der Ringstraßenzone beherbergt ist, im Jahr 1899. Für die Inneneinrichtung zeichnete Adolf Loos verantwortlich, der auf die damals übliche Plüschatmosphäre sowie auf Jugendstilornamente verzichtete. Zu den Stammgästen zählten etwa Otto Wagner, Egon Schiele, Joseph Roth oder Peter Altenberg. In den 1930er Jahren wurden die Räume nach Entwürfen des Josef-Hofmann-Schülers Josef Zotti umgebaut. 2003 entschied sich der damalige Betreiber für ein Revival der Loos-Variante, was jedoch von bescheidenem Erfolg gekrönt war und zur Schließung des Cafes im Vorjahr führte. Folglich kommt nun erneut Zotti zum Zug.