Polizei löste Kundgebung auf

Polizei-Einsatz & Festnahmen: Corona-Demo eskaliert

24.04.2020

Bei einer Demonstration gegen die Corona-Schutzmaßnahmen der österreichischen Regierung kam es Freitagabend zu Konfrontationen zwischen Exekutive und Demo-Teilnehmern.

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Wien. Am Freitag hat in der Wiener Innenstadt die erste Demonstration seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen am 16. März stattgefunden. Diese richtete sich gegen das Corona-Maßnahmenpaket der Bundesregierung und war von der Polizei untersagt worden. Dennoch sammelten sich am Nachmittag dutzende Teilnehmer am Albertinaplatz. Nach knapp zwei Stunden war die Versammlung zu Ende, die Polizei zog sich zurück.
 
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Polizei griff durch

Ein Mann war zuvor wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen worden. Dazu kamen einzelne Identitätsfeststellungen. Weitere Anzeigen wegen Verstöße gegen das Covid-19-Maßnahmengesetz und nach dem Versammlungsgesetz sollen durch die von der Exekutive aufgenommenen Bild- und Tonaufnahmen erfolgen, kündigte diese an. Auch den Veranstalter erwartet eine Anzeige, weil die Versammlung trotz Untersagung stattgefunden hat. Insgesamt verlief die Kundgebung friedlich, betonte Polizeisprecher Paul Eidenberger.
 
In den vergangenen Tagen hatte es ein Hin und Her um die der von der Initiative für evidenzbasierte Corona-Informationen (ICI) veranstalteten Demonstration gegeben. Schlussendlich wurde die Demo am Freitagvormittag von der Polizei untersagt. Daraufhin kündigten die Veranstalter anstelle der Kundgebung eine Presseerklärung an. Trotzdem versammelten sich Freitagnachmittag zahlreiche Menschen am Albertinaplatz.
 
 
 
Die Kundgebung war von der Initiative für fünf Personen angemeldet worden. Die Polizei begründete am Vormittag die Untersagung mit der Einschätzung, dass mehr als die angemeldeten Teilnehmer kommen würden - und behielt damit Recht. Laut den Veranstaltern hatten sich trotz der Absage rund 200 Menschen versammelt, "weitaus mehr, als angenommen", hieß es in einer Aussendung. "Unsere Prognose ist eingetreten", konstatierte Eidenberger. "Die Erfahrungswerte von heute werden in die künftigen Entscheidungen einfließen", betonte der Polizeisprecher.
 
Gegen 15.00 Uhr hatte die Polizei am Freitag die Anwesenden erstmals per Lautsprecher dazu aufgefordert, Abstand zu halten. Dieser war in der Menge absolut nicht gewährleistet. Die Durchsage der Exekutive wurde mit lauten Buh-Rufen quittiert. Außerdem skandierten die Manifestanten hatten unter anderem "Wir sind das Volk", diese Parole wurde in der Vergangenheit unter anderem von rechtsextremen Gruppierungen wie Pegida und AFD verwendet. Außerdem ertönten "Weg mit Kurz"-Sprechchöre.
 
 
Es folgten weitere Durchsagen der Exekutive, "dass sich gesetzeswidrige Vorgänge ereignen" und diese eingestellt werden sollen. Gegen 16.00 Uhr Schritt die Polizei zur Tat und erklärte die Kundgebung für aufgelöst. Wenig später folgte diese Ansage auch via Lautsprecher seitens der Demonstranten. Die Exekutive wiederum kündigte konsequentes Einschreiten an. Außerdem bat sie via Lautsprecherdurchsage um Verständnis und Kooperation. "Bitte verstehen Sie, dass wir unseren Job machen und nicht weiter diskutieren können", hieß es in einer Durchsage. Die Exekutive sei verpflichtet, Identitätsfeststellungen durchzuführen. "Wir ersuchen Sie, kooperativ zu sein und ihre Daten bekannt zu geben", bat die Exekutive.
 
Zahlreiche Kundgebungsteilnehmer verließen daraufhin den Albertinaplatz. Gegen 16.30 Uhr begann die Polizei mit einzelnen Identitätsfeststellungen. Kurze Zeit später erfolgte die Festnahme wegen Widerstands. Eine Frau wurde gerade einer Identitätsfeststellung unterzogen, als ein Mann hinzukam und einen Polizisten von hinten festhielt. Sofort sammelten sich wieder dutzende Personen um die Polizisten. Unter den nach Auflösung der Kundgebung durch die Polizei und den Veranstalter anwesenden Personen befand sich auch Identitären-Chef Martin Sellner.
 
 
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Die Deeskalations-Strategie der Polizei zeigte am Freitag schließlich Wirkung. Kurz vor 17.00 Uhr begann die Polizei damit, sich zurückzuziehen. Es blieben lediglich einzelne Demonstranten am Albertinaplatz zurück.
 
Unterstützt wird die Initiative unter anderem von dem Arzt Christian Fiala und dem Rechtsanwalt Roman Schiessler. Fiala betonte gegenüber der APA, dass es sich bei den Teilnehmern um Personen, "die unabhängig voneinander zufällig vorbeigekommen" seien, gehandelt habe. "Es kann nicht sein, dass das das Ende der Demokratie ist", sagte Fiala zur APA. Die Veranstalter kündigten für kommenden Freitag eine "neue, größere Demo" vor dem Bundeskanzleramt an. Polizeisprecher Eidenberger hält es "aus derzeitiger Sicht eher für unwahrscheinlich, dass diese Demonstration stattfinden darf".
 
 

Verfassungsjurist Funk: Demountersagung zu hinterfragen

Wie für seinen Kollegen Heinz Mayer ist auch für Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk die Entscheidung der Polizei, die für Freitagnachmittag angemeldete Demo der Initiative für evidenzbasierte Corona-Informationen (ICI) zu verbieten, zumindest hinterfragenswert. Es hätte wohl andere Möglichkeiten gegeben, meinte der Jurist, die Demo trotz Covid-19-Maßnahmengesetz durchzuführen.
 
"Es wirft die Frage auf: Hat man es sich hier zu leicht gemacht?", sagte Funk zur APA. "Das sieht sehr danach aus, dass hier jemand gesagt hat: 'Wehret den Anfängen'", sagte Funk. Eine Prognoseentscheidung allein darauf zu stützen, dass man sage, die Demo sei so bekanntgeworden und betreffe einen so kontroversiellen Punkt, dass man von einem deutlich größeren Teilnehmerstrom als angemeldet ausgehen muss, sei beachtlich. Funk betonte, das reiche so nicht aus, zumal die Sicherheitsexekutive bekanntgegeben habe, die Einhaltung der Vorschriften zu kontrollieren. Die Durchführung solcher Demonstrationen sei "der Sicherheitsexekutive zumutbar".
 
Eine der anderen Maßnahmen, mit der die Demo ohne Untersagung stattfinden hätte können und das Covid-19-Maßnahmengesetz eingehalten worden wäre, hätte dem Verfassungsrechtler zufolge eine weiträumigere Absperrung und ein Platzverbot für Nicht-Manifestanten sein können. Funk wies auf einschlägige Judikatur hin, die zum Beispiel bei angemeldeten Demos für und gegen die Abtreibung angewandt worden sei.
 
Damals war davon auszugehen gewesen, dass die Demos pro und contra ausufern würden. Die Behörde habe einfach eine Kundgebung untersagt. Dazu sei festgestellt worden: "Die Behörde hat eine Schutzpflicht, und sie darf es sich nicht leicht machen zu sagen: 'Wir untersagen einfach'", so Funk.
 
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