Richard Steiner bleibt die Haft erspart. Der Ex-Rotlicht-Boss über das Milieu und seine Zukunft.
13 Jahre war er der Rotlicht-Boss Wiens, zehn Jahre im Visier der Justiz, zwei Jahre in U-Haft: Am Dienstag kam Richard Steiner (42) trotz Verurteilung wegen Krida frei (und wurde von allen anderen Vorwürfen freigesprochen).
ÖSTERREICH trifft ihn in einer Bar für Veganer. Bei Fruchtsaft skizziert er ein brutales Bild der Rotlicht-Szene – Jahre nach seinem Ausstieg: „Ich war der letzte Rotlicht-Boss Wiens. Jetzt ist die Polizei im Milieu aber machtlos“, sagt er. Er spricht von einem Anstieg illegaler Prostitution, Minderjährigen, die um 40 Euro anschaffen, täglicher Gewalt, angezündeter und verschwundener Prostituierter und fehlender Kontrolle. „Zu unserer Zeit gab es das nicht.“ Steiner hält noch Kontakt zu allen Gürtel-Größen, eine Rückkehr schließt er aber aus. Lieber schreibt er seine Biografie, Titel: „Der Unbeugsame.“
ÖSTERREICH: Am Dienstag gingen Sie frei. Reizt es Sie, ins Rotlicht zurückzukehren?
STEINER: Nein, überhaupt nicht. Ich bin mir nicht zu gut, Ordnung zu schaffen, aber ich will mir dieses Leid nicht mehr anschauen. Und: Dem Vorsitzenden und meinem Anwalt ist zu danken, dass die Gerchtigkeit siegte.
ÖSTERREICH: Der TV-Tatort zeichnete ein düsteres Bild vom Milieu. Ist das die Realität?
STEINER: Heute ist alles gesplittet, in 8 bis 9 Top-Etablissments und wenigen Klein-Betrieben ist es sicher, sonst arbeiten die Mädchen riskant. Es gibt keine Kontrolle mehr durch das Milieu, die Polizei ist machtlos. Prostituierte verschwinden, werden angezündet oder abgestochen. Jeden Tag kann was passieren. Der Fall Cretu ist kein Einzelfall. Früher gab es keine Schießereien oder Messerstiche, keiner hat die Polizei gebraucht.
ÖSTERREICH: Wo ist es am gefährlichsten für die Mädchen?
STEINER: Dort, wo Ostblock-Banden via Strohmänner Löcher anmieten und illegale Prostituierte beschäftigen. Als ich noch Boss war, gab es 5.000 illegale Mädchen, jetzt 6.000. Es gibt auch Waffen.
ÖSTERREICH: Welche Probleme sehen Sie?
STEINER: Die Prostitution Minderjähriger stieg an, wir haben sie noch befreit. Bereits um 40 Euro gibt es eine „Hochzeit“, alles inklusive. Das ist traurig und menschenunwürdig. Ich empfinde Demut, wenn ich denke, wohin das führt...