Natascha Kampusch

Die Protokolle des Polizei-Skandals

23.08.2010

So wurde der Schlüssel-Zeuge von Beamten zum Schweigen gebracht. Klagt Kampusch jetzt die Republik auf Millionen?

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Zeuge P. gab schon 1998 Hinweise auf Priklopil als Täter. Das wurde ignoriert. Peter Pilz zeigt in bisher streng geheimen Protokollen, wie die Panne vertuscht wurde:

Keine Aufklärung
BKA-Boss Herwig Haidinger will Aufklärung über die Panne mit dem Zeugen P. Doch weder Karl Mahrer (Polizeichef von Wien) noch Bernhard Treibenreif und Philipp Ita (Kabinettsmitarbeiter im VP-Innenministerium) haben auf Haidingers E-Mails geantwortet. Am 28. August 2006 wiederholt Haidinger seine Weisung mit Nachdruck. Er mailt an Mahrer: "Bitte um Erledigung des Auftrages. [….] Die Darlegung dieser Umstände [….] hat möglicherweise Auswirkungen hinsichtlich eines allfälligen Amtshaftungsanspruchs des Opfers.“ Nichts passiert.

Die Krisensitzung:
Haidinger bestellt am 29. August seine Beamten zu sich ins Bundeskriminalamt. Mit Haidinger suchen SOKO-Leiter Nikolaus Koch, Polizeikommandant Karl Mahrer, der stellvertretende Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit Gerhard Lang und zwei weitere Beamte nach einer Antwort auf die Frage: Wie soll mit dem 2. Hinweis umgegangen werden? Die Beamten fürchten einen Skandal. Das Protokoll vermerkt: "In der Sache herrscht Einhelligkeit, dass die große Gefahr bestehe, Journalisten könnten diese Information erhalten und die Polizei damit 'treiben‘.“ Die Beamten einigen sich auf eine "möglichst unauffällige Befragung des damaligen Hinweisgebers (Diensthundeführer) durch einen Ermittlungsbeamten der SOKO Natascha, der von GenMjr Koch persönlich informiert und beauftragt wird.“ Die Beamten beschließen aber auch "enge Abstimmung mit dem KBM“, dem Kabinett der Bundesministerin. Haidinger selbst erlebt eine Überraschung. Die Ressortführung hat beschlossen: Er wird ausgeschaltet. Grund: Haidinger ist nicht bereit, an der Vertuschung mitzuwirken.

29. August: Der nächtliche Besuch beim Zeugen P.:
Chefinspektor Andreas K. ruft Hundeführer P. am Diensthandy an. P. erinnert sich: "Der Anrufer drängte auf ein Treffen, das noch am selben Tag stattfinden sollte. Es gäbe Sachen, die dringend zu besprechen wären.“ P. beugt sich dem Druck. "Ich brach unseren Besuch in Wien ab und fuhr zusammen mit meiner Frau und meinen zwei Kindern nach Hause. Um 20.00 Uhr kamen dann zwei Beamte, von denen ich den Kollegen Thomas S. persönlich kannte, zu mir nach Hause.“ Die beiden Beamten sind die Chefinspektoren Andreas K. und Thomas S. von der SOKO Kampusch. K. gibt in seiner späteren Befragung zu, dass der nächtliche Besuch keiner Einvernahme galt. "Die näheren Hintergründe für diesen speziellen Auftrag sagte mir GenMjr Koch nicht, er sagte aber klipp und klar – auf meine Frage hin –, dass wir keine Niederschrift aufnehmen müssen.“ Die Beamten der SOKO interessieren sich nicht für die Spur zum Täter. Sie haben nur einen Auftrag: P. muss am Reden gehindert werden.

Niemand soll erfahren, dass die Polizei gepfuscht und der SOKO-Chef gelogen hat. Gemeinsam mit P.s Frau setzen sich die Beamten an den Esstisch. P. fragt, was die beiden wollen. K. antwortet: "Bitte sag nichts, zu keinem was, sonst können wir zusperren.“ P. erinnert sich so genau, dass er zwei Jahre später vor der SOKO Vorarlberg den Satz in direkter Rede wiedergibt. "Dieser Satz ist mir heute noch gut erinnerlich. Der 2. Beamte erwähnte weiters, dass eben Pannen passiert seien, die innerbetrieblich aufgeklärt werden müssten. Ich wusste gar nicht, was da eigentlich abgeht, das Ganze war sehr mysteriös. Für mich kam dieses Ersuchen der beiden ganz klar als Weisung zum Ausdruck, dass ich – ich betrachte die beiden als fachlich Vorgesetzte, sie waren SOKO-Kampusch-Beamte – in dieser Sache der Amtsverschwiegenheit unterliege.“ P.s Frau Annabella arbeitet als Revierinspektorin ebenfalls bei der Polizei. Sie bestätigt bei ihrer Einvernahme die Aussage ihres Mannes. Zuerst sei über "Belangloses“ gesprochen worden. "Dann kamen sie zur Sache. Wir sollten über diese Sache, über diesen Hinweis meines Mannes (schon im April 1998) nichts sagen, es sollte insbesondere nicht an die Presse gelangen. Der stärkere der Beamten sagte, dass ‚wir uns in Zeiten wie diesen keinen Polizeiskandal leisten könnten‘. Wir wussten sofort, was dieser meinte, Wahlen standen ja vor der Türe, konkret angesprochen haben die Beamten diese Wahlen jedoch nicht. Ich hatte den Eindruck, dass wir über die Sache und die Pannen niemandem etwas sagen sollten.“

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