Genauer Auslöser von Fällen in mehreren Ländern bisher unbekannt - Kinder bis zu 16 Jahren betroffen.
Paris. Bei rund 190 Kindern sind weltweit in den vergangenen Wochen rätselhafte Hepatitis-Erkrankungen aufgetreten. Mindestens ein Kind ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bisher an einer solchen Entzündung der Leber gestorben. In Österreich sind zwei Kinder mit Leberentzündung unklarer Herkunft im Wiener St. Anna-Kinderspital in Behandlung. Der genaue Auslöser dieser Erkrankungs-Welle ist noch unbekannt. Ein Überblick über die bisherigen Erkenntnisse:
Wo sind die Hepatitis-Fälle aufgetreten?
Die ersten fünf Fälle wurden am 31. März in Schottland gemeldet. Bei keinem der betroffenen Kindern wurden die bekannten Erreger von Hepatitis A, B, C, D oder E nachgewiesen, wie Meera Chand, Expertin für neu auftretende Infektionskrankheiten bei der britischen Behörde für gesundheitliche Sicherheit, beim Europäischen Kongress für Klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten sagte. Solche Fälle seien sehr selten. In Schottland würden im Jahr nur vier bis fünf Hepatitis-Fälle mit unbekanntem Auslöser diagnostiziert.
In ganz Großbritannien wurden nach Angaben der WHO bis zum vergangenen Wochenende insgesamt 114 Fälle gemeldet. Spanien liegt mit 13 Fällen an zweiter Stelle, gefolgt von Israel mit zwölf und den USA mit neun Fällen. Weitere Fälle wurden unter anderem in Dänemark, Irland, den Niederlanden, Italien, Norwegen, Frankreich, Rumänien und Belgien verzeichnet.
Wer ist betroffen?
Die Hepatitis-Erkrankungen traten bei Kindern im Alter von einem Monat bis 16 Jahren auf. Betroffen waren vor allem Kinder unter zehn Jahren, am häufigsten erkrankten Unter-Fünfjährige. Die große Mehrheit der betroffenen Kinder war vor der Erkrankung gesund. Zu den ersten Symptomen zählten Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen und Gelbsucht.
Die Vorsitzende der Europäischen Arbeitsgemeinschaft zum Studium der Leber (EASL), Maria Buti, sagte, ihre "Hauptsorge" sei die Schwere der Erkrankung. 17 Kinder seien so schwer erkrankt, dass ihnen eine neue Leber transplantiert werden musste.
Auch die Expertin Aikaterini Mougkou von der EU-Gesundheitsbehörde ECDC äußerte sich besorgt. Ihrer Ansicht nach könnten noch mehr Kinder mit leichteren Symptomen betroffen sein. "Da wir die Ursache nicht kennen, kennen wir auch den Übertragungsweg nicht", sagte Mougkou. Daher sei auch unklar, wie die Erkrankung verhindert und behandelt werden könne.
Welche Ursachen wurden bereits ausgeschlossen?
Hepatitis ist eine Entzündung der Leber, die bei gesunden Kindern nur selten auftritt. Nach Angaben von Chand gibt es keinen Zusammenhang mit dem Schmerzmittel Paracetamol, das bei einer Überdosierung zu Leberversagen führen kann. Auch ein Zusammenhang mit Corona-Impfstoffen wird ausgeschlossen, da die meisten betroffenen Kinder gar nicht geimpft waren.
Welche möglichen Ursachen werden noch geprüft?
Nach Angaben der WHO wurden bei 74 Betroffenen Adenoviren nachgewiesen. Diese weitverbreiteten Erkältungsviren führen meist nicht zu schweren Erkrankungen.
In Großbritannien wurden laut Chand bei 75 Prozent der Patienten Adenoviren gefunden. Sie vermutet eine Kombination aus einer normalen Infektion mit einem Adenovirus und einem weiteren erschwerenden Faktor. Als möglich gilt auch, dass betroffene Kleinkinder keine Immunität gegen Adenoviren aufgebaut haben, weil sie in der für ihr Immunsystem "prägenden Phase" durch Corona-Maßnahmen wie Lockdowns und Maskenpflicht vor Infektionen geschützt waren.
In mehreren Ländern wurde nach WHO-Angaben nach der Lockerung der Corona-Maßnahmen eine "unerwartete Zunahme" von Adenovirus-Infektionen registriert. Als andere mögliche Ursachen werden nach Angaben Chands eine Doppelinfektion mit einem Adeno- und dem Coronavirus oder eine vorangegangene Corona-Infektion geprüft. Bei 19 der 169 Erkrankten wurden demnach sowohl ein Adenovirus wie auch das Coronavirus nachgewiesen, bei 20 nur das Coronavirus.
Was können Eltern tun?
Buti rät dazu, die auch zum Schutz vor dem Coronavirus empfohlenen Hygienemaßnahmen zu beachten. Kinder sollten sich vor allem regelmäßig die Hände waschen. Kinderärzte sollten bei ihren Patienten zudem verstärkt auf Anzeichen von Gelbsucht achten.