Justizpanne

Rasante Flucht mit "kaputtem Knie"

19.11.2023

Pannenserie im Strafvollzug: 3 Häftlinge entwichen

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© zVg, Polizei
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NÖ. Spitals- und Arztbesuche sind fürs Erste gestrichen bzw. nur noch ­unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen durchzuführen – ob eine Razzia in 21 Justizanstalten weitere Fluchtpläne vereitelt hat, wird von den Verantwortlichen nicht kom­muniziert, bestätigt wird nur, was sich nicht ver­heim­lichen lässt: Nämlich dass in wenigen Tagen gleich drei Knast-Insassen mit nahezu demselben Schmäh erfolgreich das Weite gesucht haben.

Unüberlegte Schritte wegen Nachricht

Begonnen hat die Pannenserie vergangene Woche, als eine Insassin der Justizanstalt Schwarzau, die wegen Vermögensdelikten einsaß und die stationär im Landesklinikum Wiener Neustadt aufgenommen wurde, türmte, sobald die Bewachung vor dem Krankenzimmer abzog. Ihr Haftende steht im Frühjahr 2025 an. Doch offenbar wurde sie jetzt ­wegen einer schlechten Nachricht, die sie aus ihrem privaten Umfeld er­eilte, zu den unüberlegten Schritten gedrängt.

Zu Beginn der Woche flohen dann gleich zwei Justizinsassen: Zuerst der 16-Jährige aus der JA Gerasdorf, der sich ebenfalls in Wiener Neustadt aus dem Staub machte (siehe Story unten) und dann die ebenso spektakuläre wie einfache Flucht eines Tschetschenen: Der Schwerkriminelle, der ­wegen bewaffneten Raubs an einem Geldtransporter in Wels im Sommer 2019 noch 9 Jahre (Haftende 2032) vor sich hatte, täuschte – vermutlich von langer Hand geplant – ein kaputtes Knie vor.

© privat

Das Röntgen am haus­eigenen Gerät in Krems-Stein war wohl nicht eindeutig, also wurde ein MRT am örtlichen Uni-Klinikum genehmigt. Dort zeigte sich dann, dass das Knie doch nicht so arg lädiert war – aber nicht bei der ­Untersuchung, sondern auf dem Weg dorthin. Dann war der dritte Fall auch schon passiert: Dem Kampfsportler und MMA-Fighter und angeblich kriegserfahrenen 35-Jährigen mit Verbindungen ins Islamisten-Milieu gelang mit einem Spontansprint die Flucht. 200 Polizeibeamte durchkämmten daraufhin die angrenzenden Weingärten und Wälder – die Bevölkerung wurde allerdings anfangs nicht gewarnt oder viel zu lange nicht mit einem Bild des Verdächtigen auf den möglicherweise gefährlichen Mann aufmerksam gemacht. Er dürfte Fluchthelfer (mit Fluchtauto) gehabt haben.

© Polizei

16-Jähriger narrt Justiz als "Häfn-Influencer"

Spontansprint. Diese Chuzpe (und Respektlosigkeit vor dem Gesetzgeber) muss man einmal haben: Ein 16-jähriger Afghane, der im Jänner ohnehin aus der Jugendhaft in Gerasdorf gekommen wäre, nützte bzw. plante einen Termin im Spital in Wiener Neustadt wegen einer angeblichen akuten Erkrankung Anfang der Woche, um seinen Bewachern einfach auf und davon zu laufen. In Handschellen.

Flucht(versuche) werden bei uns nicht bestraft

Wenig später wurde der polizeilich Gesuchte tatsächlich gesehen – auf seiner Instagram-Seite, wo der Afghane die geknackten Handschellen zeigt, einen Suchtgift-Joint dreht und raucht, Gangster-Rap abspielt und Tränen lachende Smileys zur Berichterstattung über sich postet. Das Leben auf der Flucht dürfte er jedenfalls genießen. Darüber hinaus fordert der Möchtegern-Häfn-Influencer, dass seine Knastkumpels „M+M“ (einer davon nennt sich „Dieb im Gesetz“) freigelassen werden.

Zudem präsentiert er seine Freundin und allerlei Selfies aus dem Knast, wo Smartphones & Co. eigentlich veboten sind. Letzteres lässt Kuscheljustiz-Kritiker besonders schäumen, die sich über die „Narrenfreiheit“, die jugendliche Straftäter genießen, heftig mokieren. Zu befürchten hat der 16-Jährige (außer für den Drogenkonsum) nichts: Aus der Haft zu fliehen wird nicht bestraft – außer es passiert dabei eine Straftat.

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