Rassismus-Report 2021

Rassismus-Attacke in Straßenbahn: Schwangere verlor ihr Kind

21.03.2022

Ein Mann beschimpfte die Schwangere rassistisch und schlug ihr in den Bauch. In weiterer Folge verliert K. ihr Baby.

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© APA/HANS PUNZ
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Wien. Die Anti-Rassismus-Initiative ZARA hat für ihren Report 2021 weniger Meldungen rassistischer Vorfälle registriert als im Jahr zuvor, nämlich 1.977 nach 3.039 im Jahr zuvor. Weniger Rassismus in Österreich bedeute das aber nicht, betonte Fiorentina Azizi-Hacker, Leiterin der ZARA-Beratungsstellen am Montag in einer Pressekonferenz. Mehr als zuvor haben sich 2021 Betroffene selbst an ZARA gewandt.

"Rassismus ist immer da, weil er im System verankert ist", sagte Azizi-Hacker: "Was man als Norm empfindet, meldet man auch nicht." 2020 sei ein Ausnahmejahr gewesen, wegen der Berichterstattung über die Tötung des Afroamerikaners George Floyd und die "Black Lives Matter". Nun sei wieder nur die Spitze des Eisbergs des auch institutionellen und strukturellen Rassismus sichtbar.

Das Besondere diesmal: 434 Meldungen kamen nicht von Zeugen sondern von Betroffenen selbst, das sind 22 Prozent aller Fälle (ohne den digitalen Bereich sogar 43 Prozent). Im Jahr 2020 betraf dies nur 429 Fälle (14 Prozent).

Neben Beratungsgesprächen und Falldokumentation wurden von ZARA 1.155 rechtliche (25 Prozent) und nicht-rechtliche (75 Prozent) Maßnahmen gesetzt, um gemeinsam mit Klienten gegen Rassismus vorzugehen. Dazu zählt etwa Unterstützung bei Anzeigen, das Verfassen von Interventionsschreiben oder die Begleitung zu Behörden und Schlichtungsgesprächen. "Es ist wichtig, dass es für Betroffene einen Ort gibt, an dem ihnen zugehört und geglaubt und an dem sie ernst genommen werden", unterstrich sie: "Niemand muss mit rassistischen Erfahrungen alleine sein."

Dass dieser Ort wichtig ist, zeigen schockierende Beispiele im Rassismus-Report. So wird im Report eine Attacke im öffentlichen Raum beschrieben, bei der eine schwangere Frau durch den Angriff ihr Baby verlor. Zum Schutz ihrer Identität, werden konkretere Angaben zum geneuaen Ort und Zeitpunkt des Vorfalles verzichtet.

Rassismus-Attacke in Straßenbahn: Schwangere verliert ihr Kind

K. fährt mit der Straßenbahn. Wegen ihrer Schwangerschaft verspürt sie starke Morgenübelkeit und möchte deswegen schnell ein paar Bissen essen. Sie geht dafür extra nach hinten in die Straßenbahn, weil sie niemanden stören möchte. Dort wird sie plötzlich von einem Mann rassistisch beschimpft und in den Bauch geschlagen. K. fährt sofort ins Spital, um sich untersuchen zu lassen. Im Spital wird festgestellt, dass K. durch den Schlag innere Verletzungen erlitten und viel Blut verloren hat. Es kommt noch im Spital zu einer Anzeige gegen den Mann. In weiterer Folge verliert K. auch ihr Baby. Sie wendet sich an die Betroffenenschutzeinrichtung WEISSER RING, weil sie rechtlich gegen die Gewalttat vorgehen möchte. Durch die dort angebotene Prozessbegleitung wird K. im gerichtlichen Verfahren unterstützt und begleitet, wie es im Rassismus-Report weiter heißt.

Zusätzlich meldet sie sich bei ZARA, weil ihr wichtig ist, dass der Vorfall dokumentiert wird. Eine ZARA-Beraterin erklärt K. nach der Dokumentation, dass es auch die Möglichkeit gibt, zusätzlich eine Anzeige wegen rassistischer Beleidigung zu machen. K. bedankt sich sehr für die Unterstützung sowie das entlastende Gespräch und möchte sich das weitere Vorgehen noch überlegen.

Rassistische U-Bahn-Durchsage

Als Beispiel für Zivilcourage berichtet ZARA etwa die Reaktion der Fahrgäste auf eine rassistische U-Bahn-Durchsage: "Zeug*innen berichten, dass ein U-Bahn-Fahrer die Fahrgäste per Durchsage mit der Ankündigung 'Willkommen bei Ihrem Flug von der Türkei nach Wien' begrüßt hat. Mehrere Personen machen daraufhin das zuständige Verkehrsunternehmen darauf aufmerksam", berichtet ZARA. Das Verkehrsunternehmen reagiert, indem es ein Statement veröffentlicht, in dem es klarmacht, dass Rassismus nicht geduldet wird. Das Unternehmen bittet auch Zeug*innen um Hinweise (Uhrzeit, Datum, Fahrtrichtung), damit dem Vorfall nachgegangen und der U-Bahn-Fahrer zur Rede gestellt werden kann. Der Vorfall wird auch ZARA gemeldet. ZARA dokumentiert den Vorfall sowie das positive Beispiel für eine Reaktion auf einen rassistischen Vorfall.

Schwerpunkt ist struktureller Rassismus

Schwerpunkt des diesjährigen Reports ist struktureller und institutioneller Rassismus, wie Geschäftsführerin Barbara Liegl ausführte. Sie pochte auf die überfällige Erstellung eines nationalen Aktionsplans gegen Rassismus und erinnerte angesichts der Flüchtenden aus dem Ukraine-Krieg daran, dass hier ein Zweiklassensystem anhand des Merkmals Staatsbürgerschaft drohe.

 Der von der Razzia gegen die Muslimbrüder betroffene Salzburger Politologe Farid Hafez berichtete von den - auch für seine eigene Tochter - traumatisierenden Erlebnisse der Razzien im Zuge der "Operation Luxor". Die Polizeiakten dazu läsen sich teils ähnlich wie das Manifest des rechtsextremistischen norwegischen Attentäters Anders Behring Breivik. Er sprach von institutionalisiertem Rassismus und kritisierte, dass seit der Kanzlerschaft von Sebastian Kurz (ÖVP) Muslimischsein an sich als potenzielle Bedrohung angesehen werde. Hier müsse es eine Kehrtwende der Politik geben.

Zu Wort meldete sich auch Emmeraude Banda vom "Black Voices"-Volksbegehren. Österreich habe ein tief gehendes Rassismusproblem, sagte er. Er sei Teil der Gesellschaft und habe feste Strukturen etabliert. Spürbar werde die etwa im Bildungs- oder dem Arbeitsmarktbereich, aber auch in rassistischen Denkmälern, Straßen- und Prdoduktnamen, die stets mit Traditionsargumenten verteidigt würden.

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