Entführungs-Drama
Russen-Anwalt erwürgt oder erdrosselt
15.08.2012
Entführungsdrama um den Wiener Wirtschaftsanwalt Erich Rebasso hat ein trauriges Ende gefunden.
Der Wiener Wirtschaftsanwalt Erich Rebasso ist entweder erwürgt oder erdrosselt worden. Wie die Wiener Polizei am Freitag berichtete, habe dies die Obduktion der am Donnerstag in einem Waldstück bei Königstetten (NÖ) gefundenen Leiche ergeben. Der genaue Todeszeitpunkt sei derzeit nicht zu ermitteln. Man könne jedoch davon ausgehen, dass der 48-Jährige unmittelbar nach der Entführung aus der Wiener Innenstadtgarage am 27. Juli oder möglicherweise sogar noch in der Garage selbst ermordet worden ist. Die beiden Tatverdächtigen sitzen seit Freitagnachmittag in Moskau in Untersuchungshaft.
Bei den zwei Tatverdächtigen handelt es sich um einen 31- sowie einen 35-jährigen Mann. Sie stammen aus einem Dorf "weit außerhalb von Moskau" und dürften bereits vor der Attacke auf Rebasso in der Innenstadtgarage gewusst haben, dass der Anwalt in der Nähe des späteren Fundorts seiner Leiche gewohnt hat. "Im Haus selbst waren sie aber nicht", sagte Polizei-Sprecher Roman Hahslinger. Es scheint, als hätten die zwei Russen den Wohnort Rebassos zuerst ausgekundschaftet, den Anwalt dann ermordet und anschließend die Leiche nur deshalb in dem Waldstück bei Königstetten vergraben haben, weil sie mit der Gegend bereits einigermaßen vertraut gewesen sind.
Kein Auftragsmord
Dass es sich um einen Auftragsmord handelte, sei auszuschließen, so Hahslinger. Die beiden nun in Moskau verhörten Personen zählten demnach zum Kreis jener Anleger, die um hohe Geldsummen geprellt worden waren. Rebasso hatte zwar immer beteuert, mit den Betrugsfällen nichts zu tun zu haben, und erstattete diesbezüglich sogar Selbstanzeige - geglaubt dürften die Männer die Unschuldsbekundungen des Anwalts allerdings nicht haben.
Am Freitag wurden die zwei Verdächtigen ins gerichtliche Gefangenenhaus in Moskau überstellt. Dort hat der zuständige Untersuchungsrichter abermals 48 Stunden Zeit, um eine etwaige U-Haft zu verhängen. Seitens des Bundeskriminalamtes (BK) ist im Moment nicht geplant, einen Beamten nach Moskau zu schicken, sagte BK-Sprecher Mario Hejl am Freitag. Als Verbindungsmann mit permanentem Wohnsitz in der russischen Hauptstadt stünde derzeit der Attachee zur Verfügung.
Auslieferung unwahrscheinlich
Eine Auslieferung der beiden Männer scheint allerdings unmöglich, denn eine Überstellung russischer Staatsangehöriger aus Russland nach Österreich ist laut Justizministerium ausgeschlossen. Artikel 6 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13.12.1957 (EuAlÜbk) sehe nämlich vor, dass jeder Vertragsstaat die Auslieferung eigener Staatsbürger ablehnen kann. Russland habe dementsprechend zu Artikel 6 EuAlÜbk die Erklärung abgegeben, dass Artikel 61 (Teil I) der russischen Verfassung eine Auslieferung eigener Staatsangehöriger verbiete, so eine Sprecherin des Ministeriums auf APA-Anfrage.
Auf der nächsten Seite die Chronologie der Entführung.
Ein Jäger will Donnerstagfrüh zufällig auf die in einem Erdloch im Wald vergrabene Leiche gestoßen sein. Bei der gerichtsmedizinischen Obduktion konnte durch einen DNA-Abgleich eindeutig festgestellt werden, dass es sich bei dem Verstorbenen um den vermissten Anwalt Mag. Erich Rebasso handelt, der am 27. Juli aus einer Tiefgarage im ersten Bezirk entführt wurde.
Seit ihrer Verhaftung am Dienstag wurden jene beiden Männer in Moskau intensiv verhört, die als mutmaßliche Täter in der spektakulären Causa gelten. Insider gehen davon aus, dass die beiden Laien im Verhör zusammenbrachen und die Ermittler bzw. den Jäger auf die richtige Spur gebracht haben.
Der Leichnam lag unter einem ungewöhnlichen Erdhügel nur 20 Meter von jener Serpentinenstraße entfernt, die zur bekannten Dopplerhütte führt. Der Tote soll bereits mehr als zwei Wochen in dem Grab im Wald gelegen haben – somit kamen die Lösegeldforderungen per E-Mail aus Russland zu einem Zeitpunkt, als das Opfer längst tot war: ein Versuch, aus dem Mord auch noch Kapital zu schlagen!
Anfangs hatten sie kein Verbrechen vor
Nach und nach lichten sich jetzt die Hintergründe im Fall Erich Rebasso. Laut ÖSTERREICH-Infos ist der Haupttäter einer jener Kleininvestoren, die bei einem Anlagebetrug um 50.000 bis 60.000 Euro geprellt wurden. Obwohl Rebasso schwor, dass er mit den Machenschaften nichts zu tun hatte und dass jemand anderer seinen Namen missbräuchlich verwendete, wollte sich der Geschädigte das Ersparte persönlich von ihm zurückholen.
Laut ÖSTERREICH-Informationen fuhr der Russe mit einem Freund nach Wien, um sich mit dem Anwalt zu treffen. Mit ihren echten Ausweisen mieteten sie sich bei einem Autoverleih im Wiener Hilton einen Kleinwagen – dass sie ihre Identitäten nicht verschleierten, ist ein Zeichen dafür, dass sie kein Gewaltverbrechen planten.
Opfer in der Tiefgarage erschlagen?
Doch irgendetwas dürfte bei den Verhandlungen und beim letzten Meeting in der Tiefgarage auf dem Georg-Coch-Platz zwischen dem Wiener Anwalt und den beiden Russen schiefgelaufen sein: ein heftiger Schlag, tödliche Prügel, weil sich der Jurist so gar nicht kooperativ zeigte?
Jedenfalls zeigt die Überwachungskamera, dass einer der beiden am 27. Juli mit dem Mercedes-Geländewagen von Erich Rebasso und der andere mit dem Opel-Zafira-Leihwagen aus der Garage fuhr. Es steht zu befürchten, dass der Jurist zu diesem Zeitpunkt bereits tot war. Und dass sich die Russen der Leiche 25 Kilometer entfernt von Wien überstürzt entledigten.
Familie Rebasso völlig gebrochen
Danach flog das Duo zurück nach Moskau – und weil der Tote tatsächlich nicht so schnell gefunden wurde, kamen die Russen auf die Idee mit der 500.000-Euro-Lösegeldforderung. Damit nährten sie bei der Familie Rebasso die Hoffnung, dass der vierfache Familienvater noch lebt. Für die Hinterbliebenen – Vater und Mutter, der Bruder, die Ehefrau und die Kinder – bricht jetzt endgültig eine Welt zusammen.
Die Chronologie der Entführung
Ende Juli begann die Suche nach dem Anwalt, nun wurde er gefunden.
Freitag, 27. Juli: Der Anwalt verlässt seine Kanzlei in Wien, geht zu seinem Auto in der Tiefgarage am Georg-Coch-Platz. Eine Kamera nimmt auf, dass beim Rausfahren ein Fremder am Steuer sitzt.
Samstag, 28. Juli: Der 48-Jährige wird vermisst gemeldet. Die Polizei startet die Ermittlungen.
Dienstag, 31. Juli: Am Parkplatz eines Einkaufszentrums in Wien-Simmering wird um 15.25 Uhr das Auto des Vermissten gefunden.
Mittwoch, 1. August: Polizei geht von einem Verbrechen aus, veröffentlicht ein Foto des Anwalts.
Donnerstag, 2. August: Die Spurensuche am Auto Rebassos wird abgeschlossen. Man findet Blutspuren des Opfers.
Freitag, 3. August: In einem Mietwagen werden Blutspuren Rebassos gefunden. Das Auto wurde von Russen ausgeliehen.
n Dienstag, 14. August: In Moskau werden die zwei Russen, die das Entführungsauto ausgeliehen hatten, verhaftet. Ein E-Mail an die Familie des Opfers taucht auf, knapp nach der Entführung wurden 500.000 Euro gefordert.
Donnerstag, 16. August: In einem Waldstück bei Königstetten wird die Leiche des Entführten gefunden.
R. Kopt, C. Kurtisch