Freundin erzählt
Die Tragödie um die Baby-Räuberin
10.06.2010
Täterin oder Opfer? Ein deutscher Psychiater soll jetzt klären, ob die Kindesentführerin von Salzburg überhaupt verhandlungsfähig ist.
Nach der glücklich ausgegangenen Entführung der drei Monate alten Nora am Mittwoch aus einem Salzburger Einkaufszentrum wird die Wohnung der Verdächtigen im Tiroler Unterland bald durchsucht. Sie ist derzeit versiegelt und wird geöffnet, sobald eine Verfügung der Staatsanwaltschaft vorliegt, sagte Oberst Josef Holzberger vom Landeskriminalamt (LKA) Salzburg am Freitag.
Elisabeth S.(32) aus Kössen (Tirol) wird derzeit in einer psychiatrischen Klinik in Bayern behandelt: „Es muss geklärt werden“, sagt Volker Ziegler, Sprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein (Bayern) zu ÖSTERREICH, „was zu dieser Kindesentziehung geführt hat“.
Eines steht aber jetzt schon fest: Elisabeth S. hat sich monatelang auf die Tat vorbereitet, sich in einen „Wahn hineingelebt“, sagt Freundin Birgit A. (siehe Interview). Sie richtete in ihrer Wohnung in einem Wohnblock in Kössen ein Kinderzimmer ein. Kaufte Babydecken, einen Kinderwagen: „Uns allen erzählte sie“, sagt die Freundin, „dass sie nun einen Freund hat und von diesem Mann schwanger ist“.
Anderen Freundinnen log sie vor, dass sie das Kind bereits bekommen habe. Sie ging mit einem Kinderwagen spazieren, der Buggy war allerdings leer. Ein anderes Mal soll eine Holzpuppe darin gelegen haben: „Sie hat sich so unglaublich reingesteigert“, sagt die Freundin, „dass sie wohl keinen anderen Ausweg mehr gesehen hat.“
Erster Entführungsversuch schon am Dienstag
Dienstagvormittag
setzte sich die Hotel-Angestellte in ihren silbergrauen Peugeot 206, fuhr
ins Salzburger Einkaufszentrum „Europapark“. Einer Frau, die ihr vier Monate
altes Baby im Maxi-Cosi trug, folgte sie durchs ganze Zentrum. Es ergab sich
aber keine Gelegenheit, das Baby zu entreißen.
Deshalb kam sie am Mittwoch wieder. Entführte um 9.43 Uhr die kleine Nora aus dem Maxi-Cosi, der bloß eine Minute unbeobachtet vor einer H&M-Umkleidekabine stand. Mit dem Baby raste sie zurück in ihren Heimatort Kössen, zeigte das Kind einer Bekannten: „Das ist mein Baby“, log sie euphorisch.
Aufgegeben hat sie ihren Wahnsinnsplan erst, als die Polizei mit ihrem Foto aus der Überwachungskamera fahndete: „Sie wollte dem Kind nichts antun, hat sie uns erzählt“, sagt Staatsanwaltssprecher Ziegler. Und: „Uns erzählte sie auch, dass sie im Herbst 2009 ein Kind bei der Geburt verloren habe. Seit damals hätte der Wunsch nach einem eigenen Kind ihr ganzes Leben bestimmt.Überprüft haben die Beamten diese Aussage allerdings nicht. Ihre Freundin behauptet nämlich: „Sie war nie schwanger, hat auch nie ein Kind verloren.“
Das sagt die Freundin der Entführerin:
"Babysachen
sind bereitgelegen..."
ÖSTERREICH: Haben Sie eine Erklärung für diese Tat? |
Ortschef: "Verhalten von Frau auffällig"
Das
Verhalten der Frau sei schon auffällig gewesen, meinte der Bürgermeister der
Gemeinde im Bezirk Kitzbühel, in der die mutmaßliche Baby-Entführerin lebt,
am Freitag. Deshalb habe die Bevölkerung gut und couragiert reagiert und
schnelle Hinweise geliefert, nachdem die Polizei nach dem Vorfall am
Mittwoch einen Zeugenaufruf machte. Die 32-Jährige habe sich dadurch bereits
verdächtig gemacht.
Die Frau habe von einer Schwangerschaft gesprochen und einen Kinderwagen vor der Wohnung abgestellt gehabt. Persönlich seien dem Ortschef diese Vorgänge nicht bekanntgewesen, allerdings habe es im Dorf Gespräche gegeben und die Gerüchte seien ihm zu Ohren gekommen.
Die Frage bleibt: Wie kam es dazu?
Nach Angaben des
Bürgermeisters sei die Frau in "gänzlich geordneten"
Familienverhältnissen in der Gemeinde aufgewachsen. Ihre Jugend habe sie in
einem "normalen Umfeld" verbracht. Wie es zu einem derartigen
Vorfall kommen konnte, entziehe sich seiner Kenntnisse, erklärte der
Bürgermeister.
Von einer "sehr braven, sehr fleißigen und allseits recht beliebten Mitarbeiterin" sprach der ehemalige Arbeitgeber der Verdächtigen. Neun Jahre habe die Frau bei ihm gearbeitet. Für ihn sei der aktuelle Vorfall überraschend. "Niemand hätte gedacht, dass das passiert", sagte der ehemalige Arbeitgeber.