Das Wiener Justizministerium muss die Auslieferung aber noch beschließen.
Der in Korruptionsverdacht geratende ehemalige kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader hat heute, Montag, seine Beschwerde gegen die Zulässigkeit der Auslieferung zurückgezogen. "Er hat einem vereinfachten Auslieferungsverfahren an Kroatien zugestimmt, so wie er es vor zwei Wochen durch seinen kroatischen Rechtsanwalt Goran Suic angekündigt hat", erklärte Sanaders Wiener Anwalt Werner Suppan. Deshalb wurde die für morgen, Dienstag, am Landesgericht Salzburg anberaumte, öffentliche Auslieferungsverhandlung abberaumt, wie der Sprecher des Oberlandesgerichtes Linz, Günther Winsauer, bestätigte.
Durch die Rücknahme der Beschwerde ist die Entscheidung des Landesgerichtes Salzburg vom 9. Mai 2011 über die Auslieferung Sanaders rechtskräftig. "Die morgige Verhandlung findet deshalb nicht statt", sagte Winsauer. Der Zeitpunkt über die Auslieferung steht noch nicht fest. Sanader befindet sich seit Dezember 2010 in der Justizanstalt Salzburg in Auslieferungshaft. Ihm werden in der Heimat Amtsmissbrauch, Bildung einer kriminellen Vereinigung und gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen.
Sanader will EU-Beitritt nicht gefährden
Mit der Argumentation, in Kroatien sei kein faires Verfahren möglich, hatte Sanader seine Auslieferung anfangs bekämpft. Warum der 57-Jährige jetzt eine Kehrtwende vollzog, begründete er so: Er halte Kroatien für EU-reif und wolle deshalb den Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit seinem Fall nicht belasten, da er die Beitrittsverhandlungen 2005 begonnen und zum Großteil über die Jahre selbst geführt habe, ließ er über seinen Anwalt Werner Suppan ausrichten.
Er habe deshalb einem vereinfachten Auslieferungsverfahren zugestimmt, weil einige Medien in Kroatien in den vergangenen Wochen gemutmaßt hätten, dass Sanaders Beschwerde gegen die Auslieferung einen raschen Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union verhindern oder verzögern könnte, erläuterte der Wiener Advokat. Nachdem Sanader Kroatien 2009 in die NATO geführt habe, sehe er in einem EU-Beitritt seines Landes einen wesentlichen Teil seines politischen Lebenswerks.
Auslieferung womöglich in zwei bis drei Wochen
Suppan geht davon aus, dass der Ex-Premier in etwa zwei bis drei Wochen nach Kroatien ausgeliefert wird. Dort will er alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe aufklären und seine Unschuld beweisen. Der prominente Auslieferungshäftling hat derzeit mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Er ist vor etwa drei Wochen auf einer Stufe in der Salzburger Justizanstalt ausgerutscht und gestürzt. Dabei zog er sich eine Bänderzerrung im Sprunggelenk zu und musste zwei Wochen lang einen Gips tragen. "Er bewegt sich noch mit Schiene und Krücken fort", schilderte Suppan.
Der kroatische Ex-Politiker war am 10. Dezember 2010 auf der Tauernautobahn in Salzburg aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen und anschließend in der Justizanstalt Salzburg in Auslieferungshaft genommen worden. Er soll durch dubiose Transaktionen über ihm nahe stehende Firmen das kroatische Staatsbudget um sechs Millionen Euro geschädigt haben. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien hat das Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen eines Geldwäscheverdachtes in Österreich noch nicht abgeschlossen.
Wiener Justizministerium muss Auslieferung noch beschließen
Bis Ivo Sanader den kroatischen Behörden übergeben werden kann, sind noch einige Amtshandlungen auf österreichischer Seite notwendig: Weil der kroatische Ex-Premier heute, Montag, einer vereinfachten Auslieferung zugestimmt hat, wandert der Akt vom Oberlandesgericht (OLG) Linz ans Landesgericht Salzburg zurück. Dort werde Sanader noch einmal einvernommen, danach gehe der Akt zur Bewilligung der vereinfachten Auslieferung ins Justizministerium nach Wien, erläuterte OLG-Sprecher Günther Winsauer.
Wenn Justizministerin Beatrix Karl (V) die Auslieferung angeordnet hat, ist Salzburg wieder am Zug. Das Landesgericht wird mit den kroatischen Behörden Kontakt aufnehmen und die Frage klären, zu welchem Zeitpunkt und an welchem Grenzübergang die Auslieferung erfolgen soll. Laut Winsauer könnten bis dahin noch etwa zwei Wochen vergehen.
Mit der vereinfachten Auslieferung verliere Sanader den Schutz der Spezialität, sagte der OLG-Sprecher. Dies bedeute, dass er in seiner Heimat nun auch wegen Handlungen verfolgt werden kann, die ihm in dem Auslieferungsverfahren nicht vorgeworfen werden. Auf die Folgen dieses Verzichtes werde er in einer baldigen Vernehmung am Landesgericht Salzburg noch hingewiesen.
Das Medieninteresse an der öffentlichen Auslieferungsverhandlung, die morgen, Dienstag, im Landesgericht Salzburg hätte stattfinden sollen, war groß: "45 Journalisten von 20 Medienunternehmen aus Kroatien, Österreich und Deutschland hatten sich angemeldet", berichtete Winsauer. Die Verhandlung wurde abberaumt, weil Sanader seine Beschwerde gegen die Zulässigkeit der Auslieferung beim Oberlandesgericht Linz heute zurückgezogen hatte.