Tschibo-Aktion
Schnell einen Hochschul-Abschluss zum Kaffee
14.11.2007
In seinen Stehkaffee-Lokalen vertreibt Tchibo ein BWL-Studium auch für Österreicher. Uni-Rektoren-Chef Badelt zeigt sich skeptisch.
Nun bietet Tchibo neben Kaffee, Reisen, Kredite auch ein Betriebswirtschafts-Studium an. In Kooperation mit der Privaten Fachhochschule (FH) Göttingen wirbt der deutsche Handelskonzern derzeit mit Sonderkonditionen für ein Fernstudium an der FH - geboten wird unter anderem ein "starker Preisvorteil: statt 298 Euro nur 248 Euro im Monat, inkl. Prüfungsgebühren" sowie "kurze, freiwillige Präsenzphasen". In Deutschland hat das Angebot eine Debatte über die Privatisierung von Bildung ausgelöst, in Österreich plant der Konzern keine Kooperation mit Hochschulen.
In drei Jahren zum Diplom
Interessenten wird ab 1. Februar 2008
ein Fernstudium geboten, das innerhalb von drei Jahren zum Diplom führen
kann. Geworben wird mit einem Arbeitsaufwand von zwölf bis 15 Stunden pro
Woche, pro viermonatigem Trimester sind ca. zehn Fernlehrbriefe zu
bearbeiten. Präsenzphasen werden zwar angeboten, sind aber nicht
verpflichtend. Dafür gibt es "Online-Coaching" per E-Mail und
Chat, Fragen sollen innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden. Für das
Fernstudium in Göttingen könnten sich Österreicher aber problemlos anmelden.
Rektoren-Chef Badelt übt Kritik
"Aus mehreren Gründen
sehr skeptisch" sieht der Chef der Österreichischen Rektorenkonferenz
(ÖRK) und Rektor der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien, Christoph Badelt, das
Angebot der deutschen Handelskette Tchibo, ein Fernstudium für
Betriebswirtschaft der Privaten Fachhochschule (FH) Göttingen zum
Sonderpreis zu verkaufen. "Akademische Bildung sollte mit einer
entsprechenden Vorbereitung und Beratung angetreten werden, das ist wohl
kaum möglich, wenn man sie im Supermarkt kauft, wie eine Tasse Kaffee",
meinte Badelt am Mittwoch im Gespräch mit der APA.
Kein persönlicher Kontakt zu Lehrenden
Skeptisch ist Badelt
auch, weil er es nicht als anstrebenswert hält, akademische Bildung
ausschließlich oder vorwiegend in Fernkursen anzubieten. Die Qualität einer
akademischen Ausbildung sei sicher auch ganz wesentlich durch direkten
Kontakt von Lehrenden und Lernenden bestimmt. Badelt weist zudem darauf hin,
dass für ein dreijähriges Studium in Österreich mindestens 1.500
Arbeitsstunden zu leisten seien, in Deutschland liege die Latte noch höher.
Die Frage sei, ob das bei diesem Studienangebot erreicht werde.
Der Rektoren-Chef ist sich sicher, dass es "in Zukunft immer wichtiger werden wird, wo - also bei welcher Einrichtung - ein akademischer Grad erworben wird." Der Arbeitsmarkt und die gesellschaftliche Wertschätzung werde sich in Zukunft viel stärker daran orientieren als am Titel an sich, "eine Tendenz, die z.B. aus den USA wohl bekannt ist", so Badelt.
Immatrikulation erst nach Beratung
Die private FH, die unter
anderem auch beim Musiksender MTV um Studenten wirbt, sieht das nicht so.
Durch das Tchibo-Angebot solle der Impuls gegeben werden, über ein Studium
nachzudenken: "Erst einmal nehmen Interessierte sich die Broschüre mit
nach Hause und bekommen bei Interesse von uns ein Informationspaket. Der
Immatrikulationsprozess steht erst am Ende eines längeren
Beratungsprozesses. Und jeder, der sich von uns Infos schicken lässt, wird
sich auch über andere Unis informieren", so FH-Präsident Bernt
Sierke.