Neue Dimension der Gewalt: Lehrerin von Schülern verprügelt.
Seit Tagen schlagen Österreichs Lehrergewerkschafter Alarm: In unseren Klassenzimmern geht es immer brutaler zu. Nicht allein zwischen den Schülern – sondern immer öfter zwischen Schülern und Lehrern. Die Pädagogen werden angepöbelt, bedroht, Plastikflaschen fliegen als Geschosse Richtung Tafel und Lehrer. Im schlimmsten Fall sprechen die Fäuste.
Rund zehn Prozent der Schüler in Österreich, so schätzt die Pflichtschul-Lehrergewerkschaft, sind verhaltensauffällig. Das sind rund 100.000 (!) Kinder. In den Ballungszentren ist der Prozentsatz sogar noch höher.
Eine neue Dimension erreichte die Gewalt kürzlich in einer Schule im nördlichen Niederösterreich. Hier wurde eine Lehrerin krankenhausreif geprügelt.
Gleich mehrere Schüler attackierten Junglehrerin
„Gleich mehrere Schüler sind auf die Junglehrerin losgegangen und haben sie krankenhausreif geschlagen“, so Günther Wick, Vorsitzender der NÖ-Pflichtschullehrer-Gewerkschaft. Über seinen Schreibtisch in der GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst) sind schon viele Gewaltfälle gewandert – dieser Vorfall ist einzigartig. „Das ist ein riesiges Problem, denn die jungen, zierlichen Lehrerinnen können sich gegen die Attacken der 1,80 Meter großen Burschen nicht wehren.“ Den Namen der Schule und den Tatort will er nicht nennen – aus Sicherheitsgründen.
„Vor fünfzehn Jahren gab es das Problem nicht“, sagt Wick. „Heute bekomme ich im Monat gleich vier bis fünf Anträge von Lehrern, die von der Gewerkschaft rechtliche Unterstützung haben wollen, um sich gegen Schüler zu wehren.“
Junglehrerin wurde von Schüler vergewaltigt
Die häufigsten Formen der Gewalt: Stalking mittels Droh-SMS, Schimpfwörter wie „Du Hur du“ oder Schläge und Rempeleien stehen in den Pflichtschulen fast an der Tagesordnung. „Auch eine Vergewaltigung einer Junglehrerin gab es im Vorjahr schon.“
Den Vorschlag seines Gewerkschaftskollegen Paul Kimberger, die Kinderbeihilfe bei Extremfällen zu streichen, sieht Wick als einen Hilferuf. Sein Appell: „Wir wissen keinen Ausweg mehr und brauchen dringend neue Durchgriffsmöglichkeiten.“
FALL 2: Drohungen – Bub bleibt in Schule
Am Bundesoberstufenrealgymnasium (BORG) Nonntal verstehen die Schüler der 7 a und das 50-köpfige Lehrerkollegium die Welt nicht mehr. Dort wurde Christian P. (16) auf Wunsch der Mitschüler und nach einstimmigem Beschluss der Lehrerkonferenz der Schule verwiesen.
Doch der Terror-Gymnasiast darf jetzt zurück. Dabei hatte er vor allem seiner Ethiklehrerin Rosemarie B. übel mitgespielt, sie zuletzt massiv bedroht: „Warte nur, was dir passieren wird, wenn ich dich das nächste Mal am Bahnhof sehe …“, sagte der aufsässige Schüler, mit dem sich die Disziplinarkonferenz der Schule schon mehrfach beschäftigt hat. Mit obszönen Gesten beleidigte er die Pädagogin, schüchterte sie mit Kraftausdrücken ein.
Lehrerin ist jetzt im Krankenstand
Eine Juristin der Schulrechtsabteilung prüfte den Fall, fand Formfehler und hob den Verweis auf. Ihr Chef Herbert Gimpl sekundierte in einem Anflug von Kuschel-Pädagogik: „Der Schüler hat noch eine Chance verdient. Was passiert mit einem 16-Jährigen, der aus dem sozialen System Schule ausgeschlossen wird? Wo bleibt der denn?“
Was mit der betroffenen Lehrerin passiert, scheint offenbar zweitrangig. Nachdem „Terror-Schüler“ Christian P. jetzt wieder an der Schule ist, hat sie sich krankgemeldet.
(mik, loa)