Salzburg
Sex-Täter geht endgültig frei
29.03.2013
52-Jähriger soll vor Antritt des überwachten Hausarrestes sein Opfer mit dem Umbringen bedroht haben.
Ein rechtskräftig verurteilter Sexualstraftäter aus Salzburg, der Mitte März 2013 aus dem elektronisch überwachten Hausarrest entlassen worden war, ist heute, Freitag, am Landesgericht Salzburg vom Vorwurf der gefährlichen Drohung im Zweifel freigesprochen worden. Der 52-Jährige soll das mittlerweile 23-jährige Vergewaltigungsopfer laut Strafantrag am 21. März 2012 bei einer Tankstelle in der Stadt Salzburg mit dem Umbringen bedroht haben, was der Beschuldigte aber vehement bestritten hat.
Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Weder Staatsanwalt Marcus Neher noch der Vertreter der 23-Jährigen, der Wiener Rechtsanwalt Nikolaus Rast, gaben eine Erklärung ab. Das Vergewaltigungsopfer reagierte im APA-Gespräch empört auf den Freispruch: "Das ist eine Schande für die Justiz. Über die Jahre hindurch habe ich erfahren müssen: Verbrechen zahlen sich aus. Es zahlt sich aus zu lügen und die Justiz zu hintergehen. Ich bin enttäuscht von der Justiz." Sie habe Angst, denn ihrer Meinung nach werde der 52-Jährige immer gefährlicher. "Es ist ihm ja bestätigt worden, es passiert nichts."
Die junge Frau und ein guter Bekannter von ihr, der aus Wien stammt und heute als Zeuge auftrat, haben den Angeklagten schwer belastet. Beide gaben an, sie hätten gehört, wie der 52-jährige Hilfsarbeiter in Richtung des Autos, in dem sie an jenem 21. März gesessen und bei einer Tankstelle an der Vogelweiderstraße im stockenden Verkehr vorbeigefahren sind, geschrien hätte: "I bring di um".
Im Zweifel
Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig. Er erklärte, dass er "kein einziges Wort" gesagt hätte. Er habe den Wagen der beiden vom Bereich der Tankstelle aus, wo er seinen Kleinbus geparkt hatte, nur fotografieren wollen, um zu dokumentieren, dass sie sich erneut in der Nähe seiner Wohnadresse aufhalten würden. Das sei zuvor schon des öfteren so gewesen, sagte der 52-Jährige.
Das Opfer mit ihrem Anwalt am Straflandesgericht Salzburg, Foto: APA
Einzelrichterin Daniela Segmüller erklärte nach dem Freispruch, sie sei sich nicht sicher, ob der Angeklagte die Drohung tatsächlich ausgesprochen habe. "In dem Verfahren steht Aussage gegen Aussage." In den dem Gericht vorliegenden zwei Videosequenzen aus dem Fotoapparat des Beschuldigten, der seinen Angaben zufolge in der Hektik statt auf dem Foto- auf den Video-Knopf drückte, sei erkennbar, dass der Angeklagte während der Aufnahmen telefonierte (mit seinem Anwalt, Anm.). Man sehe auch, dass das Auto des Zeugen an der Tankstelle vorbeifahre, und einmal kurz stehen bleibe. Es sei aber keine Drohung zu hören. Zudem habe sich der Salzburger in einem großen Abstand zum Pkw befunden, sagte die Richterin.
Nicht rechtskräftig
Während des Telefonierens und Hinlaufens in Richtung des Wagens des Wieners wäre es theoretisch möglich gewesen, dass zwischen den beiden Videosequenzen so eine Äußerung gefallen sei, sagte Segmüller. Es liege aber nicht im Bereich der Lebenserfahrung, eine Drohung zu äußern, wenn man gerade Beweisaufnahmen mache. In der Verhandlung habe es sich bereits abgezeichnet, dass beide Seiten der Meinung seien, gegenseitig verfolgt zu werden. Die Situation sei damals sehr angespannt gewesen, das Opfer habe sich offenbar auch in einer Stress-Situation befunden. Der Bekannte der Frau versuche offenbar, sie zu unterstützen. Dieser habe den Beschuldigten auch zwei Monate lang beobachtet, als er die elektronische Fußfessel tragen musste. "Der Beweiswert der Aussage dieses Zeugen ist für mich nicht sehr hoch", so die Richterin.
Der Staatsanwalt ortete als Motiv der gefährlichen Drohung einen "Hass", den der Beschuldigte auf das Opfer gehabt habe, weil die 23-Jährige zu dieser Zeit sehr medienwirksam aufgetreten sei. "Ich gehe von der Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen aus, sie sind schlüssig und stimmig", sagte Neher. Auch der Anwalt des Opfers hegte keinen Zweifel. Aus dem Akt ergebe sich nicht, dass der Beschuldigte mit seinem Anwalt telefoniert habe, sagte Rast. Es stimme, dass die 23-Jährige damals alles in ihrer Macht stehende unternommen habe, um die elektronische Fußfessel zu verhindern. "Helfen sie heute einem jungen Mädchen, den Glauben an die Justiz wiederzufinden", appellierte der Wiener Advokat vor der Urteilsverkündung an die Richterin.
Rache weil nicht gerecht bestraft
Verteidiger Franz Essl meinte wiederum, die Frau habe sich mit der Anzeige nur an dem 52-Jährigen rächen wollen, weil er für die Sexualstraftat ihrer Meinung nach nicht gerecht bestraft worden sei und ihm für den unbedingten Haftanteil eine elektronische Fußfessel bewilligt wurde. Sie habe bei der Anzeige am 12. November 2012 auch zu Protokoll gegeben, dass das Vorleben des Verurteilten bei der Vergabe der Fußfessel eine wesentliche Rolle spiele. Laut dem Zeugen aus Wien sei die 23-Jährige bei der Tankstelle ja in einer Panikreaktion gewesen. Dass sie nicht sofort eine Anzeige im März eingebracht habe, bezeichnete Essl als lebensfremd. Ihren Angaben heute vor Gericht, sie sei deshalb nicht eher zur Polizei gegangen, weil sonst der Beschuldigte ihre Adresse erfahren hätte, glaubte der Verteidiger nicht.
Ende Oktober 2012 wurde dem Salzburger Straftäter der elektronisch überwachte Hausarrest zur Empörung des Opfers bewilligt. Die gebürtige Salzburgerin wollte, dass er den unbedingten Haftanteil im Gefängnis verbüßen musste. Der Mann erhielt am 15. November die elektronische Fußfessel. Nach vier Monaten wurde er am 14. März vorzeitig aus dem Hausarrest bedingt entlassen.
Hundetrainer
Der ehemalige Hundetrainer hatte in den Jahren 2005 und 2006 die damals 15- bzw. 16-jährige, gebürtige Salzburgerin mehrfach vergewaltigt und sexuell missbraucht. Er wurde deshalb zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt. Für die unbedingte Haftstrafe von sechs Monaten hat der Verwaltungsgerichtshof Ende Oktober 2012 in letzter Instanz die elektronische Fußfessel bewilligt.
Das Landesgericht Salzburg hat im Jänner 2013 entschieden, dass der 52-Jährige nach Verbüßung von zwei Drittel des unbedingten Teils seiner Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem elektronischen Hausarrest entlassen wird. Er musste die Fußfessel demzufolge statt sechs Monaten nur insgesamt vier Monate tragen. Das Oberlandesgericht Linz hat einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft Salzburg, die Auflagen für die bedingte Entlassung forderte, nicht Folge gegeben.