Skyrunner Stangl und sein Triumph am K2
14.08.2010
Am Samstag um 10.58 Uhr erreicht ÖSTERREICH am Satellitentelefon den
K2-Helden.
Sieben Mal warf der K2 Skyrunner Christian Stangl (44) ab. Der letzte
Versuch scheiterte erst am 6. August. Jener Tag, an dem der Schwede Fredrik
Ericsson 1.000 Meter in die Tiefe stürzte und am K2 starb. Gerlinde
Kaltenbrunner reiste nach der Tragödie geschockt ab.
Aber Stangl blieb im Basislager. Er witterte seine Chance und tüftelte an
einem riskanten Plan. „Ich hatte keine Termine in Österreich. Notfalls hätte
ich auch bis zum Sankt-Nimmerleinstag warten können“, erzählt er.
Eine Nachtbesteigung sollte den Extrembergsteiger endlich über den
gefährlichsten Berg (8.611 Meter) triumphieren lassen. Quasi wenn das
Monster K2 „schläft“, möchte Stangl den Berg überrumpeln. „Die Temperaturen
sind abnormal hoch heuer. Bloß minus 17 Grad. Vergleichbar ist das mit
Frühling in Österreich“, erklärt Stangl. Die Wärme hat die ohnehin schon
lebensgefährlichen Bedingungen am K2 noch verschärft. Es lösen sich immer
wieder Steine, Eisplatten.
Einzige Chance: Der Nachtaufstieg. Da sind die Temperaturen tiefer, der
Schnee fester, die Gefahr von Steinschlag geringer.
Keine Freude.
Dafür gleicht der Aufstieg einem Blindflug. Nur
mit einem GPS-Gerät ausgerüstet, macht sich Stangl am Mittwoch in der Nacht
in Richtung K2-Gipfel auf. 70 Stunden dauert sein Kampf gegen Eis, Wind und
Schnee. Am Donnerstag um 10.00 Uhr feiert Stangl den größten Triumph seiner
Karriere. Er steht am Gipfel des K2. Er ist der erste Bergsteiger seit zwei
(!) Jahren, der ihn geschafft hat.
Die Unglücksserie ist beendet. Stangl bleibt nur wenige Minuten am Gipfel.
Dann geht es wieder abwärts. Ein kurzer, aber fulminanter Höhepunkt.
ÖSTERREICH: Gratulation zum Gipfelsieg. Wann werden Sie
das nächste Mal Reis essen? Christian Stangl:
(Lacht) Das wird hoffentlich noch dauern. Am liebsten würde ich jetzt
in einem kühlen Gastgarten sitzen und einen Radler trinken, dazu einen
Chefsalat mit Putenstreifen essen. ÖSTERREICH: Sie
waren 70 Stunden unterwegs. Wie geht es Ihnen körperlich? Stangl:
Es geht einigermaßen, ich habe 12 Stunden geschlafen. Ich bin noch
dehydriert, man verliert da oben viel Flüssigkeit. Man kann gar nicht
genug trinken, um das aufzuholen. ÖSTERREICH: Wie
sieht jetzt die Rückreise aus? Stangl: Wir haben
heute früh das Basislager am K2 verlassen. Ich bin im Moment am Weg
nach Askoli. Wir werden dafür drei bis vier Tage brauchen. Wegen der
Unwetter ist jedoch unklar, wann die Flüge in die Heimat stattfinden
werden. ÖSTERREICH: Sie haben den „Todesberg“
alleine bezwungen. Was fühlten Sie am Gipfel des K2? Stangl:
Am Gipfel hatte ich überhaupt kein Gefühl der Freude. Erst jetzt kommt
langsam diese Genugtuung. Die ganze Besteigung war geprägt von großer
Angst, ich hatte gar kein Lustempfinden. ÖSTERREICH:
Was hat Sie trotzdem angetrieben? Stangl: Der K2 ist
nur ein Berg meines Gesamtprojekts. Mein Ziel ist es, alle 14 höchsten
und zweithöchsten Berge zu schaffen. Das hat mich voll motiviert. ÖSTERREICH:
Wie lange waren Sie am Gipfel? Stangl: Das waren nur
einige Momente. Ich hab mich kurz im Kreis gedreht, Fotos gemacht, das
GPS-Signal geschickt. Es war eigenartig. Ich wusste immer, der Gipfel
ist nur die Hälfte. Und dachte, ich muss schnell wieder runter, runter
vom K2 ... ÖSTERREICH: Wie schwierig war der
Aufstieg? Stangl: Ich bin am Dienstag gestartet. Es hat
leicht geschneit. Ich bin über Nacht rauf zum Lager 3 und hab kurz
geschlafen, viel getrunken. Und ich hab mit Charly Gabl geredet, der
ein kurzes Wetterfenster vorausgesagt hat. Alle anderen sind ja im
Basislager zurückgeblieben, ich hab richtig taktiert. Da war auch viel
Glück dabei. ÖSTERREICH: Wann haben Sie dann
entschieden, den Gipfel zu „probieren“? Stangl:
Am Mittwoch um 18 Uhr ist plötzlich eine blaue Front über das Lager
gezogen. Es war unglaublich. Da hab ich gewusst, das ist meine Chance.
Ich bin sofort los. Je weiter ich oben war, desto schlechter war das
Wetter. Charly Gabl hat Recht gehabt, ihm gebührt der halbe Gipfelsieg. ÖSTERREICH:
Wie bleibt Ihnen der K2 in Erinnerung? Stangl: Ich
war dort vier Monate im Basislager. Heuer war durch die Wärme so viel
Steinschlag wie noch nie – das war das Schlimmste. Eines weiß ich: Ich
werde nie, nie wieder auf den K2 zurückkehren.
Interview:
Jochen Prüller
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