Was Inzest-Opfer E. und ihr Bruder H. aussagten .
Der zweite Verhandlungstag im Sensationsprozess gegen Josef Fritzl war der spannendste. Denn im Gerichtssaal wurden den fassungslosen Geschworenen die Videobänder von kontradiktorischen (schonenden) Einvernahmen des Verlies-Opfers E. (elf Stunden lang) und H. (40 Minuten) vorgespielt.
So wurde E.s Befragung aufgezeichnet (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)
Abrechnung
Beide rechneten erschütternd mit ihrem Peiniger ab. Allerdings war die Öffentlichkeit am Dienstag vom Prozess ausgeschlossen. Die gute Nachricht: Was die acht Laienrichter zu hören bekamen, ist Eingeweihten – in buchstäblich „groben“ Zügen – schon lange bekannt.
Monster
Denn Opfer H. hat im Familienkreis kein Geheimnis daraus gemacht, warum und wie er seinen Vater belasten wird. Anzunehmen daher, dass er als Zeuge auf Videoband dieselben furchtbaren Geschichten erzählte.
Und was Vergewaltigungs-Opfer E. in 8.641 Tagen im Verlies drei Meter unter der Erde erlitten hat, wurde bereits im Vorverfahren erhoben. Resultat ist die Anklageschrift, die über weite Strecken auf ihren Aussagen basiert. Beide Opfer Fritzls sagten am Dienstag (auf Videowand) als Zeugen der Anklage aus. Und jeder Satz von ihnen zeigte wohl, dass da tatsächlich ein „Monster“ auf der Anklagebank sitzt – auch wenn das Fritzls Staranwalt Rudolf Mayer bestreitet.
Nasenbein gebrochen
Unter Verwandten rechtfertigte H. seinen Entschluss, gegen Josef Fritzl auszusagen, so: „Das Gericht soll erfahren, warum ihn die ganze Familie gehasst hat.“
Unvergesslich für den Sohn: Junior H. hatte eine Lehrstelle als Koch und Kellner, vom Vater aber striktes Alkoholverbot. Bei einer Geburtstagsfeier seines Chefs trank er trotzdem ein Glas Sekt. Fritzl roch es am Abend daheim – und schlug zur Strafe sofort auf den Buben ein. Mit stark blutender Nase wurde H. dann auf sein Zimmer im dritten Stock des Horror-Hauses geschickt und eingesperrt. Erst am nächsten Tag brachte Fritzl sein Opfer in ein Spital. Und dort musste H. seinen Nasenbeinbruch mit einem Sturz über die Treppe erklären.
Unter den Tisch geprügelt
Zeuge H. erinnert sich auch, dass es seiner Lieblingsschwester E. (dem späteren Verlies-Opfer) nicht besser erging. Beispiel: Auf Verwandtenbesuch mit dem Papa folgte E. nicht sofort seinem Kommando „Los, wir gehen jetzt“, weil sie noch auf die Toilette musste. Zwei Minuten später hatte sie daher ihre Schuhe noch nicht angezogen. Folge: Fritzl schlug so brutal zu, dass das Mädchen unter einen Tisch flog.
Sex-Attacken
Zeuge H. weiß auch noch genau, wie ihm die Schwester von ihrer Panik vor dem Vater erzählte. Schon als sie 11 war, habe er sie unsittlich belästigt. Jedes Mal habe sie gezittert, wenn er mit ihr von seiner Gastwirtschaft am Mondsee in den Wald fahren wollte.
Im Vorverfahren hat Fritzl die frühen Sex-Attacken stets geleugnet und argumentiert: Seine Tochter sei als Kind tatsächlich vergewaltigt worden – aber von einem Mann aus der Verwandtschaft, nicht von ihm. Vermutlich habe sie da „was durcheinander gebracht“.
Kaltschnäuzig
Und auch die elfstündige Aussage von Inzestopfer E. nahm der Vater Fritzl schon im Vorverfahren nicht beschämt hin.
Typisch dafür sein kaltschnäuziger Konter auf ihre Behauptung, er habe im Verlies die ersten vier Jahre kein Wort mit ihr gesprochen: „Falsch. Wir haben sogar darüber diskutiert, ob ich nicht noch ein Opfer suchen soll, damit sie da unten Gesellschaft hat.“
Trost vom Täter
Die Aussage des Inzest-Opfers ist das Protokoll eines unfassbaren Martyriums. Aber schon vor dem Haftrichter ließ Josef Fritzl nur eine Passage unkommentiert – die Aussage seiner Gefangenen: „Ich habe in all den Jahren oft geschrien, aber es hat mich niemand gehört.“ Sonst aber war der Verstellungskünstler nie um eine Replik verlegen.
Unglaubliche Beispiele dazu: Opfer E. gibt an, Josef Fritzl habe sie sofort im Verlies mit einer Eisenkette ans Bett gefesselt. Fritzl widerspricht: „Sie hatte damals noch gar kein Bett, sondern nur einen Kübel für die Notdurft. Ich weiß nicht, wie sie darauf kommt.“
Oder: Bei ihrer kontradiktorischen Einvernahme erzählte die gebrochene 42-Jährige, ihr Peiniger habe sie schon am zweiten Tag im muffigen Kellerloch vergewaltigt. Der Inzest-Täter dazu: „Stimmt nicht. Ich habe sie erst viel später als begehrenswerte Frau wahrgenommen. Am Anfang habe ich sie nur in den Arm genommen und gestreichelt, weil sie sehr traurig war.“
Mag sein, dass sich der Angeklagte in Selbstlügen flüchtet, weil er mit der Wahrheit nicht leben könnte. Er sagt auch, dass er den Säugling M. im Verlies erst gesehen hat, als der schon tot war. Die Kindesmutter dazu: „Ich habe ihn angefleht, Hilfe zu holen. Aber er hat gesagt, er wird den Buben im Ofen verbrennen.“