Hintergrund
So ist die Georgien-Mafia organisiert
16.03.2010
Die Organisation hat genau definierte Hierarchien - mit Killergesetzen.
Mafiöse Organisationen funktionieren wie eigene Staaten. Die georgische Organisierte Kriminalität (OK) bildet da keine Ausnahme. Das hat auch die "Operation Java" gezeigt, bei der in Österreich, Spanien und vier weiteren europäischen Ländern Dutzende Personen - darunter Angehörige der zweithöchsten Führungsebene - verhaftet wurden. Die Organisation hat genau definierte Hierarchien mit ebenso präzise reglementierten Karrierewegen, eine eigene Gesetzgebung und ein eigenes Sozialsystem.
Westgeorgier rückte nach
Die höchste Stufe, die ein Mitglied
der OK in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion erreichen kann, ist der Dieb
im Gesetz, vergleichbar mit dem Paten der italienischen Mafia. Auch
innerhalb der Diebe im Gesetz gibt es eine Hierarchie: Der innerste
Führungszirkel wird in der Regel von drei Dieben im Gesetz gebildet.
2005/2006, bei der ersten Verhaftungswelle gegen die georgische Mafia, wurde
mit der Inhaftierung von Zakhar K. und von Tariel O. diesem innersten
Führungszirkel ein schwerer Schlag versetzt. Nach den Erkenntnissen der
"Operation Java"-Ermittler ist ein weiterer Georgier in Westeuropa
nachgerückt und von zentraler Bedeutung für die Aktion vom Montag. Er dürfte
nach der Verhaftungswelle untergetaucht sein und wird mit internationalem
Haftbefehl gesucht.
Trio bestimmt
Diese normalerweise dreiköpfige Leitung bestimmt ,
wer Dieb im Gesetz werden und in die zweite Führungsebene aufsteigen darf.
Außerdem treffen sie strategische Entscheidungen und sind letzte Instanz bei
Streitigkeiten. Außerdem fällen bzw. bestätigen sie Urteile. Diebe im Gesetz
werden laut den Experten des Bundeskriminalamts im Rahmen einer
Krönungszeremonie inthronisiert. Die beiden in Österreich verhafteten Paten
gehören ebenso wie zwei in Spanien festgenommene Bosse der zweiten, zum Teil
auch der dritten Ebene an. Sie waren verantwortlich für die Kontrolle der
nächsten Instanzen und waren auch für die Gemeinschaftskassa verantwortlich,
den "Obschak". Daraus werden gemeinsame Auslagen bestritten, unter anderem
Prozesskosten, falls ein Pate einmal vor Gericht gestellt wird. Außerdem ist
die zweite Ebene für die Wäsche der Einnahmen verantwortlich.
Innerster Zirkel beauftragte Killer
Detail am Rande: Der 1996 in
Wien erschossene Pate David Sanikidse musste sterben, weil er wegen seiner
Geldprobleme zweimal in den "Obschak" gegriffen hatte - ausgerechnet in
einer Zeit, als das Geld wegen eines großen Prozesses benötigt wurde. Der
innerste Zirkel fällte das Todesurteil und engagierte einen Killer, dessen
Vater kurz zuvor getötet worden war. Bei diesem Mord soll Sanikidse die
Finger im Spiel gehabt haben.
Dass die georgische Organisation wie eine Firma funktioniert, zeigt auch, dass zwischen oberster und zweithöchster Ebene eine Art Controlling-Stufe geschaltet ist. Diese besteht aus "Schauenden" ("Smotreashij"), die den Dieben im Gesetz auf die Finger sehen, ob die Interessen des innersten Zirkels gewahrt werden.
Die dritte Stufe ist bereits die mittlere Führungsebene. In Österreich war das einer der verhafteten Diebe im Gesetz, der die regional zuständigen Brigaden kontrollierte und von diesen direkt seinen Anteil erhielt. In Frankreich, Deutschland und der Schweiz waren das niedriger gestellte Angehörige der Organisation, die zum Teil sogar selbst Eigentumsdelikte begingen. Die nächste Stufe sind die Brigadeführer, von der Hierarchie her ebenfalls "Smotreashij". Sie sammeln Geld, kümmern sich um Inhaftierte, organisieren Straftaten und besorgen Drogen, Fahrzeuge sowie Wohnungen für die sogenannten Soldaten.
Letztere führen die Aufträge aus und begehen die Einbrüche. Die Trupps sind spezialisiert: Kundschafter erstellen genaue Bewegungsprofile der Opfer, um sicherzugehen, dass während der Tat niemand zu Hause ist. Spezialisten sind ausschließlich für die Öffnung der Tür zuständig, betreten die ausgewählten Objekte aber gar nicht. Dafür gibt es wieder einen eigenen Trupp, der die Wohnung nach genauen Vorgaben ausräumt.
Omerta - Gesetz des Schweigens
Zentrales Prinzip ist wie bei
der italienischen Mafia die Omerta, das Gesetz des Schweigens. Inhaftierte
Mitglieder der Organisation haben die Gewissheit, dass ihre Familien und sie
selbst gut versorgt sind, wenn sie den Mund halten. Entsprechend spielen
sich auch meist die Einvernahmen ab: "Ich bin unschuldig, weiß nicht, wovon
sie da reden, sie erzählen nur Märchen", sind die Standardaussagen, welche
die Ermittler zu hören bekommen.
Viele der in den vergangenen Jahren festgenommenen "Soldaten" waren drogensüchtig. Zwar zeigten sich die BK-Ermittler verwundert darüber, dass hoch professionellen Tätern eine solche Schwäche erlaubt wurde. Andererseits erklären sie es auch damit, dass genau das die Abhängigkeit von der Organisation verstärkt und sie dadurch zu willfährigeren Soldaten werden. Die kaum leistbaren Drogenpreise in Georgien tun ein übriges.