Die ermittelnden Beamten fragten kaum nach.
Am 2. September 2006 stellte die Polizei Kampusch folgende Frage: „Sie mussten mit Priklopil zu verschiedenen Anlässen das Haus verlassen. Wo waren Sie da?"
- Die 13 Ausflüge
Kampusch: „Ich war in Wien in der Hollergasse, Bergsteiggasse, Strahlenergasse. Ungefähr im Jahr 2004 sind wir in Strasshof in den Wald gegangen. Ich war auch mit ihm Fahrrad fahren im Bereich Strasshof. Der erste Kontakt zu anderen Personen war in einem NKD Geschäft, das jetzt bereits geschlossen ist. Das war im Jahr 2005 im Spätsommer. Wir waren auch in einem Baumax-Gartencenter und in einem Billa in der Nähe. Von dort sind wir nach Orth an der Donau gefahren. Wir waren auch in Großenzersdorf am Flohmarkt, dort wo das Autokino ist. Dort waren wir in kurzen Abständen öfters, circa vier Mal und dann nicht mehr. - Die 1. vereitelte Flucht
Im Jänner dieses Jahres fuhren wir auf einen Tagesausflug nach Göstling an der Ybbs zum Skifahren auf das Hochkar. Dort hat er für mich Ski ausgeborgt.
Bei diesem Ausflug am Hochkar, im Winter 2006, bekommt Kampusch beinahe die Chance zur Flucht: „Ich war dort auf der Damentoilette und er hat vor der Türe auf mich gewartet. Ich traf dort eine junge Frau und ich hatte den Eindruck, dass sie nicht meine Sprache spricht, wie ich später auch dann erfuhr, als sie mit dem Skiverleiher Englisch sprach.“ Eine Touristin! Die Fremdsprache verhindert, dass Kampusch sich bemerkbar macht. - Die 2. vereitelte Flucht
Noch knapper wird es für Priklopil wenige Wochen später. Kampusch erzählt: Im Februar oder März dieses Jahres gegen 10 Uhr, in den Tagen bevor wir das Fenster in der Hollergasse eingebaut haben, wurden wir auf der Fahrt in der Breitenleerstraße, dort wo die Baustelle ist, von einem Verkehrspolizisten angehalten, weil er (Priklopil, Anm.) die Verkehrsvorschriften nicht beachtet hat. Dieser Polizist hat ihn dann kontrolliert. Ich habe versucht, mich dem Polizisten mit Blickkontakt und ‚Augenrollen‘ auf meine Situation aufmerksam zu machen. Diese Polizisten waren circa vier Meter vom Wagen entfernt. Es gelang mir jedoch nicht, den Verkehrspolizisten auf mich aufmerksam zu machen. Auch während der Fahrzeugkontrolle [...] habe ich dies gemacht. Doch auch dies gelang mir nicht. [...] Der Polizist war dick, hatte leichte Glatze und so ungefähr 48 Jahre alt. Der andere Polizist hatte schwarze, für Männer mittellanges Haar. [...].“
Eine Frage, die sich aufdrängt: Warum konnte oder traute sich Kampusch nicht aus dem Auto zu flüchten? Die Antwort gibt Natascha selbst in der Einvernahme: „Ich hatte mir auch gedacht, aus dem Fahrzeug herauszuspringen, aber ich hab dies nicht gemacht, weil Wolfgang nicht stark genug vom Polizisten abgelenkt war. Wolfgang hat auch gesagt, dass er zuerst mich, die anderen, die mich gesehen haben und dann sich selbst umbringt. In dieser Situation ging es mir primär um die körperliche Unversehrtheit des Verkehrspolizisten. Schließlich konnte er ja nichts dafür.“
Die Polizei weiß jetzt: Kampusch wurde mehrmals in Wohnungen nach Wien gebracht. Pilz: „Aber die Beamten fragten einfach nicht nach. In welchen Wohnungen war sie? Was haben Kampusch und Priklopil dort getan? Wann waren sie genau dort? Und: Warum ging Priklopil, der schon bei Kampuschs Besuchen im Haus nur wenige Meter vom Verlies entfernt Angst vor dem Hinterlassen von Spuren hatte, das Risiko von Wohnungsbesuchen auf der anderen Seite von Wien ein?“ Antworten darauf gibt es keine. Die Beamten fragen nicht nach. ..