20 Beamte mit Sprengstoffhunden im Einsatz: Station evakuiert.
Die Szenen hätten einem US-Terrorfilm entspringen können: Am Sonntag, um 19.45 Uhr, meldete sich ein Beamter der U-Bahn-Aufsicht bei der Polizei. Ein blauer herrenloser Trolley sei in der U-Bahn-Station Stephansplatz am Bahnsteig der U3 Richtung Wien-Ottakring sichergestellt worden.
Es war der Tag nach dem Bombenanschlag in Stockholm – in Europa (und in Österreich) ging die Terrorangst um. Ein Sonderkommando rast zum Stephansplatz. Die U-Bahn-Station Richtung Ottakring wird sofort gesperrt. Es wird Terroralarm gegeben.
Rund 20 schwer ausgerüstete Beamte und ihre Sprengstoffhunde sichern den blauen Koffer. Um 20.37 Uhr wird auch die U3 Richtung Simmering gesperrt. Befürchtungen machen die Runde: Hat nun auch die Al-Kaida mitten im Herzen von Wien zugeschlagen?
Wollten die Terroristen unsere Polizei testen?
Um 20.45 Uhr dann Entwarnung. Ein Sprengstoffkommando öffnet den Trolley vorsichtig. Inhalt: österreichische Zeitungen, eine leere Cola-Flasche, ein Rosenkranz, ein Holzkreuz, ein Deo, ein Buch ("Die Bibel für Sprücheklopfer").
Um 21.02 Uhr wird die U-Bahn-Station wieder geöffnet, die Züge können fahren. Der Vorfall wurde ÖSTERREICH gestern offiziell vom Innenministerium bestätigt.
Nur ein Verrückter oder mehr?
Ein Verfassungsschützer gibt hinter vorgehaltener Hand jedenfalls keine Entwarnung: "Solche falschen Alarme können ein Test von potenziellen Terroristen sein, um die Reaktionsgeschwindigkeit der Polizei abzutesten."
Die Sonderkommandos von VP-Innenministerin Maria Fekter haben jedenfalls sehr schnell und effektiv auf den Vorfall reagiert. Ab jetzt herrscht zudem für ganz Österreich – allen voran für Wien – erhöhte Alarmbereitschaft.
Für Österreich gibt es derzeit zwar "keine konkreten Bedrohungen", heißt es aus dem Innenministerium, aber nach dem Terrorattentat in Stockholm wird auch Österreich (vor allem die Fußgängerzonen) stärker bewacht. Konkret Einkaufsstraßen, Stadtzentren, Wahrzeichen, öffentliche Gebäude, Flughäfen, Bahnhöfe und U-Bahn-Stationen. Der Terror hat Österreich endgültig eingeholt.
"Schweden-Bomber" suchte online Zweitfrau
Nach und nach enttarnt die schwedische Polizei das Netzwerk von Taimur Abdel Wahab. Der gebürtige Iraker starb Samstag, als er in der Stockholmer Innenstadt einen Sprengsatz zur Explosion brachte. Fakt ist mittlerweile: Der "Schweden-Bomber" führte ein bizarres Doppelleben.
Abdel Wahab war 1992 von Bagdad nach Schweden übersiedelt, wurde dort eingebürgert, bevor er 2001 zum Studium nach England ging. In der englischen Stadt Luton soll er in denselben Kreisen verkehrt haben wie die Al-Kaida-Attentäter auf die Londoner U-Bahn Anfang Juli 2005. Seine Frau und drei Kinder leben nach wie vor in Luton.
Hochintelligenter Iraker führte ein Doppelleben
Den Geheimdiensten war Wahab vor dem Anschlag nicht bekannt gewesen. Abdel Wahabs jetzt vorliegendes Täterprofil zeigt einerseits den liebenden Familienvater mit Frau und drei Kindern, der allerdings auf einer Dating-Seite für Muslime (muslima.com) eine Zweitfrau suchte. "Ich hoffe, du bist eine fromme Gläubige und sehnst dich nach dem Paradies. Wenn ja, melde dich", schrieb er. Seine erste Frau sei mit einer Mehrehe einverstanden. Er wünsche sich eine große Familie. "Ich kann nicht sagen, dass ich reich bin, aber Gott sei Dank bin ich auch nicht arm."
Für seine Umgebung in England war er der nette Herr von nebenan. "Er war immer freundlich", sagte ein Nachbar in Luton. Bekannte berichteten, Abdel Wahab sei von seinen Freunden wegen seiner modischen Kleidung aufgezogen worden. Sie hätten ihm den Spitznamen "Playboy" verpasst.
Auch Fotos aus Facebook und anderen Internetquellen zeigen einen gut aussehenden, ziemlich fröhlich wirkenden jungen Menschen. Er sei rechthaberisch und hochbegabt gewesen, hieß es. Wenn er sich aber an den Computer setzte, wurde der nette junge Mann von nebenan plötzlich zum fanatischen Gotteskrieger.
Inferno-Bilder auf Facebook
Auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte er Bilder von diversen Infernos. Eines zeigt die Welt in Flammen, darüber eine Flagge mit Halbmond, berichtete die Daily Mail. Ein anderes zeigt die Tower Bridge in London, der eine Turm brennt, der andere wird von einer riesigen Flutwelle umspült. Abdel Wahab outete sich als Mitglied der islamistischen Gruppierung "Islamischer Kalifatsstaat", die die Einführung islamischen Rechts weltweit anstrebt.
Die schwedischen Ermittler gehen jetzt davon aus, dass Wahab mehrere Helfer hatte. Die Fahndung ist voll am Laufen. Allerdings gebe es bisher keine konkreten Verdächtigen, so das Innenministerium. Das Attentat sei zwar missglückt, aber dennoch "erstaunlich gut vorbereitet" gewesen, erklärte der Staatsanwalt.