Festnahme
18-jähriger Islamist trainierte mit "Sprengstoffgürtel"
08.11.2024Das Einsatzkommando Cobra und das Landesamt für Staatsschutz führten eine Razzia durch. Dabei wurde ein unter der Matratze verstecktes Küchenmesser und Propagandamaterial sichergestellt. Der radikalisierte 18-Jährige ist jetzt in U-Haft.
Graz. Die Polizei hat einen 18-jährigen Wiener in der Weststeiermark festgenommen, nachdem dieser sich in kurzer Zeit einem radikalisierten Islam zugewendet hatte. Der in einer Betreuungsunterkunft wohnhafte Jugendliche hatte einen Mitbewohner verletzt, danach waren die Sicherheitskräfte alarmiert worden. Unter seiner Matratze fanden die Polizisten ein Küchenmesser mit einer rund 20 Zentimeter langen Klinge, auf zwei Handys radikalislamistische Inhalte u. a. über Hinrichtungen.
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Der junge Mann war bereits am 9. September festgenommen worden, einen Hinweis auf seine Umtriebe hatte es am 19. August gegeben. Wie die Ermittlungen ergaben, hatte sich der 18-Jährige seit Ende 2023 aktiv dem islamischen Glauben zugewandt und sich zusehends in Richtung Islamismus radikalisiert. Zudem war der junge Mann vorbestraft, wegen schwerer Körperverletzung, er hatte von seiner 18-monatigen Haftstrafe sechs im Gefängnis verbracht. Aufmerksam geworden war man auf ihn, als er einen Mitbewohner verletzt hatte, dem er unislamisches Verhalten vorwarf. Die Staatsanwaltschaft Graz ordnete seine Festnahme an, er wurde von Cobra-Beamten arretiert und in die Justizanstalt Graz-Jakomini gebracht, wie die Landespolizeidirektion am Freitag bekannt gab. Das Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) führt die weiteren Ermittlungen.
Medikamente gegen paranoide Schizophrenie
Laut LSE-Chef Rupert Meixner hatte der Festgenommene eine schwierige Kindheit. In Wien als Sohn eines Afghanen und einer Österreicherin geboren, kam er von den in der Drogenszene aktiven Eltern weg und war bis zum Alter von zwölf Jahren bei einer Großmutter und der Urgroßmutter. Danach lebte er wieder bei der Mutter, die aber überfordert gewesen sein soll, er lebte auch als Straßenkind. Dabei wurde er Opfer eines Raubüberfalls. Mit 14 Jahren hatte er einem Mitschüler mit einem Messer in den Rücken gestochen, weshalb er zur Haft verurteilt worden war. Entlassen wurde er unter Auflage, sich in der weststeirischen Einrichtung wieder sozialisieren zu lassen. Der junge Mann musste auch Medikamente gegen paranoide Schizophrenie nehmen.
Aufgefallen war er, als er halal zu essen verlangte, Hosen über den Knöcheln und Salafistenbart trug und die fünf täglichen Gebete nicht in seinem Zimmer verrichten wollte, weil sich dort ein Hund aufgehalten habe - "dabei hat er den Hund vorher gern gehabt", sagte ein Ermittler. Frauen wollte er nicht mehr die Hand geben und in seinem Umfeld startete er Missionierungsversuche. In Graz fiel er vor einer Moschee auf, weil er dort rauchenden Männern unislamische Lebensweise vorwarf. Dann begann der sonst unsportliche 18-Jährige zu trainieren, mit einer Art Sprengstoffgürtel, der mit Wasserflaschen bestückt war. Als Nächstes wollte er sich über einen ehemaligen Mitbewohner eine Schusswaffe besorgen.
"Abscheulichkeiten am Handy"
Nach der Festnahme ergab die Auswertung der Mobiltelefone, dass darauf jede Menge Naschids (Hymnen, bzw. Lobgesänge) und Hinrichtungsvideos aus der IS-Zeit gespeichert waren. "Da waren so viele Abscheulichkeiten am Handy, so etwas haben wir schon lange nicht gesehen", sagt Meixner in einem Hintergrundgespräch. In drei Befragungen hat der junge Mann bisher kaum kooperiert. "In so einer kurzen Zeit der Radikalisierung ist es nahezu unmöglich, etwas festzustellen", sagte der LSE-Chef. Man habe nicht die Mittel zur dichten Überwachung, etwa der Syrien- oder Irakrückkehrer. Da würde man sich die gesetzliche Möglichkeit zur Überwachung von Messengerdiensten wünschen. Auch eine Verschärfung des Islam- und Vereinsgesetzes wäre überlegenswert.
Obwohl der Staatsschutz alle Extremisten zu überwachen versucht, sei die islamistische Szene "leider die Hauptsorge", man spreche da von einem mittleren vierstelligen Personenbereich, zu etwa zehn Prozent auch Frauen, sagte der LSE-Chef. "Es ist nicht jeder gleich ein Terrorist oder Gefährder", aber viele seien eben verfassungsfeindlich. In Wien sei die Szene am stärksten, dann komme aber schon die Steiermark.
Präventionseinheit
Bei den LSE der Bundesländer versucht man mit Aufklärung und Vorsorge vorzubeugen. Seit Jänner ist eine Präventionseinheit tätig, wie deren Leiter, der ungenannt bleiben wollte, bei dem Hintergrundgespräch sagte. Drei erfahrene Beamte sind für die Prävention im Erwachsenenbereich, etwa bei Lehrern, zuständig. Man biete Aufklärungs- und Beratungsgespräche und Vorträge für Erwachsene an. So dauere ein Sensibilisierungsvortrag etwa drei Stunden. Zusätzlich gebe es bei den Bezirkskommanden und den Inspektionen noch speziell geschulte Beamte für die Jugendprävention, mit einem Tool in fünf Modulen. Im Rahmen von Sicherheitsdialogen gehe man auch in Moscheen und Glaubensvereine. Wichtig sei aber auch, dass man aufmerksam werde und nicht wegschaue, wenn Jugendliche etwa ihre Kleidung, ihre Sprache und ihren Lebensstil in Richtung Extremismus verändern.