Das Paar ließ sich jedes Mal scheiden, um Anspruch auf Witwenpension zu erhalten. Der Schaden beläuft sich auf mehr als 326.000 Euro
Ein Grazer Ehepaar steht im Verdacht, das Scheidungsrecht durch wiederholte Verheiratung und darauffolgende Scheidung über 35 Jahre hinweg missbraucht zu haben. Eine heute 73-jährige Frau ließ sich insgesamt zwölf Mal verheiraten und wieder scheiden, um ihren Anspruch auf Witwenpension zu erhalten. Der Schaden beläuft sich auf mehr als 326.000 Euro, wie die Landespolizeidirektion Steiermark am Dienstag mitteilte.
Die Ermittlungen des Grazer Kriminalreferats wurden über ein Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 12. März 2024 zu diesem Fall ins Rollen gebracht: Darin hielt das Höchstgericht fest, dass "die wiederholte Heirat und anschließende Scheidung vom selben Gatten rechtsmissbräuchlich ist, wenn die Ehe nie zerrüttet war und die Scheidungen nur deshalb erfolgten, um einen Anspruch auf Witwenpension zu begründen" (OGH 10 ObS 108/23i). Es wurde untersucht, ob dies bei der heute 73-Jährigen und ihrem Ehemann zutreffen könnte.
Bezug von Witwenpension
Die heute 73-jährige Witwe hatte ihren zweiten Mann im Jahr 1982 erstmals geheiratet. Sie ließ sich von ihm sechs Jahre später erstmals wieder scheiden. Damit hatte sie wieder Anspruch auf eine Witwenpension. Das in der gesamten Zeit stets im gemeinsamen Haushalt lebende Paar praktizierte diese Vorgehensweise bis 2022 weitere elf Mal. Dabei wurde der Frau nach Einhaltung einer Wartezeit von zweieinhalb Jahren jeweils wechselweise die gesetzlich zustehende Witwenpension bzw. eine Abfertigung - in Höhe des 2,5-fachen Jahresbezugs der Witwenpension - ausbezahlt. Nach der letzten Scheidung im Mai 2022 verweigerte die Pensionsversicherungsanstalt die erneute Gewährung der Witwenpension. Diesen negativen Bescheid bekämpfte die Betroffene jedoch bis zum Höchstgericht, welches die Rechtsansicht der gerichtlichen Vorinstanzen letztlich bestätigte.
"Vorzeigeehe geführt"
Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen habe sich laut Polizei der strafrechtlich relevante Verdacht bestätigt, dass das Pensionistenpaar diese Vorgehensweise bewusst im gemeinsamen Einvernehmen wählte, um sich aus den teils steuerbegünstigten Zuwendungen einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Aus Sicht der im Zuge der Ermittlungen Befragten hätten die beiden über mehr als drei Jahrzehnte hinweg zu keinem Zeitpunkt tatsächlich getrennt gelebt und eine "Vorzeigeehe" geführt. Das Umfeld soll das wiederholte Heiraten und die Scheidungen überhaupt nicht mitbekommen haben.
Das aktuell verheiratete Paar zeigte sich laut Polizei nicht geständig und verweigerte die Aussagen. Der entstandene Gesamtschaden zum Nachteil der Pensionsversicherungsanstalt wurde mit mehr als 326.000 Euro beziffert. Das Ehepaar wird wegen des strafrechtlichen Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betrugs an die Staatsanwaltschaft Graz angezeigt.
Laut der Landespolizeidirektion Steiermark setzt die Polizei mit der Einführung einer eigenen "Task Force SOLBE" bundesweit auf verstärkte Bekämpfung des Sozialleistungsbetrugs. In der Steiermark wurde in den vergangenen zehn Jahren beinahe eine Versiebenfachung dieser Delikte festgestellt (2014: 55; 2023: 371). Dies wurde vor allem mit der intensiven Ermittlungsarbeit mit beinahe 100-prozentiger Aufklärungsquote sowie auf einer verstärkten Vernetzung mit Organisationen und Partnern erklärt. Bundesweit hätten Ermittler im Jahr 2023 mit etwa 4.650 ausgeforschten Tatverdächtigen und einer aufgedeckten Schadenssumme von rund 25,5 Mio Euro überhaupt die stärkste Jahresbilanz seit dem Bestehen der "Task Force SOLBE" vorgewiesen.