Mehr Arbeit, weniger Personal - Bei aufwändigen Fällen drohen massive Verzögerungen, warnen Richter.
Die Reform der Strafprozessordnung mit 1. Jänner 2008 beschert Opfern und Beschuldigten mehr Rechte. Im Gegenzug erhält die Staatsanwaltschaft mehr Aufgaben – und Personal. Das ist bei den Richtern nicht der Fall: Planstellen werden nicht nachbesetzt oder gestrichen. Monsterprozessen droht ein satte Verzögerung, schlägt die Richtervereinigung Alarm.
Sechs Richter weniger. Am Straflandesgericht Graz, wo im nächsten Jahr der Herberstein-Prozess angesetzt ist, steigt Vize-Präsident Helmut Krischan auf die Barrikaden: Er müsse mit 18 statt wie bisher 24 Richtern auskommen. Konsequenz: Es sei unmöglich, die Herberstein-Richterin für das komplizierte Verfahren mehrere Wochen lang freizustellen, so Krischan zum ORF Steiermark. „Wir hängen im luftleeren Raum“, legte Krischan gegenüber ÖSTERREICH noch einmal nach. Man wisse hinten und vorne nicht, was nach der Reform passieren würde.
Feuerwehr
Das wirkte. Am Nachmittag wurde Krischan mitgeteilt,
dass drei Richter des Oberlandesgerichtes an das Straflandesgericht
abgestellt werden. Damit könnte der Herberstein-Prozess wie vorgesehen im
Februar beginnen. Krischans Reaktion: „Das sind drei Feuerwehrleute, die
jederzeit abberufen werden können. Wir würden 21 Richter im Stammteam
benötigen.“
Alles offen
Das eigentliche Problem sind die vielen offenen
Fragen: Wie wirkt sich die Abschaffung der Untersuchungsrichter aus? Lösen
die gestiegenen Beschwerdemöglichkeiten eine Welle von Einsprüchen aus? Wie
wirkt sich der Personalabbau auf Richterebene auf die Verfahrensdauer aus?
Kurz: Was bedeutet die Reform der Strafprozessordnung in der Praxis?
Mehraufwand
„Einen deutlichen Mehraufwand“, befürchtet Klaus
Schröder, oberster Gewerkschafter der Richter und Staatsanwälte. Er begrüßt
zwar die Reform der Strafprozessordnung. Gleichzeitig warnt er davor, dass
die umfangreichen Beschwerdemöglichkeiten den Gerichten Probleme bereiten
werden. Ein Beispiel? „Man kann gegen Ermittlungstätigkeiten der Polizei
Beschwerde einlegen. Sogar, wenn ein Zeuge abgelehnt wird“, sieht Schröder
die Oberlandesgerichte bald rotieren.
30 Stellen gekürzt
Der neue Präsident der
Richtervereinigung, der Steirer Werner Zinkl, erwartet sich ebenso „einen
erheblichen Zuwachs an Arbeit.“ Ist die Reform erst einmal in Kraft, müssten
viele Fälle vertagt und Verfahren ausgedehnt werden. „Wir haben
österreichweit dreißig Planstellen verloren“, kritisiert er den Bund. Im
Justizministerium sieht man das naturgemäß anders: Österreichweit würde es
um siebzig Richter und Staatsanwälte mehr geben – ein Rekord.