Ein Monat nach dem Fund eines gefährlichen Sprengsatzes vor der Tür der Zeugen Jehovas in Kalsdorf bei Graz ist die Ermittlungsgruppe "Michael" - in Anlehnung an den Erzengel, der bei der Glaubensgemeinschaft einen hohen Stellenwert hat - in den Erhebungen ein Stück weiter.
Stmk. Gesucht wird nach "einem gefährlichen Täter, der technisch versiert ist", hieß es aus Ermittlerkreisen. Die sichergestellte Bombe wies klare Parallelen zu den im November in Leibnitz detonierten Sprengsätzen in bzw. auf Autos von Glaubensmitgliedern auf - wie durch ein Wunder wurde damals und auch jetzt in Kalsdorf niemand verletzt.
Die seit dem jüngsten Vorfall personell und strukturell erweiterte Ermittlungsgruppe ist beim Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) in der Steiermark eingerichtet, wird aber auch von Beamten der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) sowie dem Landeskriminalamt Steiermark unterstützt und verstärkt. Auch ein Profiler ist nun im Einsatz, der den Täter analysieren soll. Die Experten gehen davon aus, dass die gesuchte Person "einen abgrundtiefen Hass auf die Glaubensgemeinschaft mit regionalem Kontext" hat. Das sei schon nach den ersten beiden Sprengsätzen in Leibnitz deutlich geworden, so die Ermittler.
Täter könnte wieder zuschlagen
Es sei davon auszugehen, dass der Täter wieder zuschlagen wird, wenn er oder sie die Möglichkeit dazu hat. Es liege bisher weder ein Bekennerschreiben noch eine andere Botschaft vor. Doch man gehe zahlreichen Hinweisen vor allem aus dem Kreis der Glaubensgemeinschaft nach. Diese sei bisher mit Informationen eher zurückhaltend gewesen, doch mittlerweile liege den Ermittlern eine "hoffentlich vollständige Liste" von ehemaligen Mitgliedern der Zeugen Jehovas vor. In den vergangenen Wochen seien bereits Dutzende Vernehmungen erfolgt und es wurden die Sprengsätze bis ins Detail analysiert. Vor allem die nicht detonierte Bombe aus Kalsdorf machte eine umfassende Spurenanalyse möglich, die sich positiv auf die Ermittlungen auswirke.
Klar ist auch, dass vor allem der Sprengsatz aus Kalsdorf, der an Intensität merklich stärker auslegt war als die Bomben aus Leibnitz, "ernst zu nehmende Schäden an Menschen und Gebäuden" verursachen hätte können, so die Ermittler. Aufgrund der Analysen wird davon ausgegangen, dass für die detonierten Sprengsätze in Leibnitz der gleiche Täter verantwortlich ist wie für die Bombe aus Kalsdorf, die entschärft werden konnte. Bisher haben die Ermittler keine baugleichen Pläne im Internet gefunden. Es sei anzunehmen, dass der Täter die Bomben selbst gebaut hat.
Kein Beichtgeheimnis
Mittlerweile gibt es auch Klarheit darüber, dass sich die sogenannten Ältesten der jeweiligen Gruppierungen der Zeugen Jehovas nicht auf das Beichtgeheimnis berufen können. Die Staatsanwaltschaft hat dies juristisch abklären lassen und man kam zu dem Schluss, dass die "Ältesten" nicht als Geistliche im Sinne der Strafprozessordnung gelten. Somit können sie sich auch nicht der Aussage entschlagen.
Für die Glaubensgemeinschaft gibt es nach wie vor behördliche Schutzmaßnahmen unterschiedlicher Art. Die Bevölkerung wird weiterhin gebeten wachsam zu sein und mögliche Hinweise der Polizei zu melden - es würden Hinweise auch vertraulich entgegengenommen.