Verhandlung in Graz

Tumult bei Prozess um Nataschas Mutter

14.09.2008

Am Donnerstag sorgte die Einvernahme eines Bekannten von Wolfgang Priklopil für Wirbel - Nataschas Vater ging auf den Zeugen los.

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© Philipp Podesser
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Im Bezirksgericht Gleisdorf wurde am Donnerstagnachmittag der Prozess zwischen Kampusch-Mutter Brigitta Sirny und dem pensionierten Richter Martin Wabl fortgesetzt. Dabei geht es um Wabls Behauptung, Sirny habe etwas mit der Entführung ihrer Tochter zu tun gehabt. Auf dem Plan stand die Einvernahme von letzten Zeugen.

Dabei kam es am Gang des Gerichts zu einem Tumult, als der Vater von Natascha Kampusch einem Zeugen einen heftigen Stoß versetzte.

Als erster Zeuge in dem Prozess wurde ein Bekannter von Wolfgang Priklopil vernommen. Er erschien mit Sonnenbrille und hielt sich eine Tasche vor das Gesicht. Im Gerichtssaal beanstandete er, dass nicht kontrolliert worden sei, ob Aufnahmegeräte oder Handys im Saal seien. Doch der Richter forderte ihn auf, auszusagen und wollte sich auf keine weiteren Diskussionen einlassen.

Er sah Natascha bei Veranstaltung
Der Zeuge gab an, er sei selten in Priklopils Haus gewesen und habe dort nie ein Mädchen gesehen. Wohl aber habe er im Mai oder Juni 2006 seinen Bekannten mit einer jungen Frau in einer Veranstaltungshalle gesehen. "Es hat sich später herausgestellt, dass es Natascha Kampusch war", so der Befragte.

"Polizei!"
Als der Zeuge den Saal verließ, ging der Vater von Natascha Kampusch auf den Mann los und versetzte ihm einen Stoß. Dieser schrie sofort mehrmals "Polizei" und "Ich werde tätlich angegriffen", obwohl ihm längst keiner mehr etwas tat. Mit den Worten "So eine Frechheit" ging er schließlich.

Koch glaubt an Mittäterschaft
Koch erklärte anschließend, er sei überzeugt davon, dass der Nachbar etwas mit der Sache zu tun habe. "Wenn er frei von jeder Schuld ist, braucht er sich vor Gericht ja nicht unkenntlich machen", so Koch.

Dann wurde ein Nachbar von Brigitta Sirny befragt, der irgendwann einmal gesagt haben soll, Priklopil sei bei ihr aus und ein gegangen. Vor Gericht bestritt er diese Aussage aber entschieden. Dann wurde aus dem Publikum eine Zeugin gehört, die angab, er habe das sehr wohl gesagt. Doch der Nachbar blieb bei seinen Angaben.

Edelbacher: "Mutter hat sich nie erkundigt"
Der ehemalige Chef des Wiener Sicherheitsbüros, Max Edelbacher, bestätigte vor Gericht, dass sich der Vater, Ludwig Koch immer "sehr engagiert" habe und sich die Mutter nie bei ihm nach ihrer Tochter erkundigt habe. Das fand er ungewöhnlich: "Wenn ich Kindsmutter bin, quäle ich den Chef jeden Tag und frage, warum mein Kind noch nicht da ist", so Edelbacher.

Ungeklärt:
-Kampusch-Entführer Priklopil wurde nicht überprüft, obwohl er bei einer Befragung im April 1998 kein Alibi für die Tatzeit hatte.

-Was ist mit der Zeugenaussage eines Mädchens, das bei der Entführung zwei Männer gesehen hat und auch heute noch dabei bleibt?

-Wie konnte Priklopil alleine das Verlies ausbauen und Kampusch gleichzeitig unter Kontrolle halten?

-Was wusste Priklopils Freund Ernst H.? Mit ihm traf sich Priklopil nach Kampuschs Flucht. Und bei der Einvernahme durch die Polizei soll H. erschrocken gefragt haben, ob er sie jetzt umgebracht habe – obwohl er von Kampusch angeblich nichts wusste ...

-H. und Priklopil haben angeblich mehrmals bei einer einschlägig bekannten Pornohändlerin angerufen. Warum wurde diese Spur nicht verfolgt?

Der U-Ausschuss im Parlament, der dies untersuchen sollte, wurde eingestellt ...

Prozess
Schon im Jahr 2000 konfrontierte Wabl Nataschas Mutter mit den Vorwürfen – und wurde nach einer Klage Sirnys rechtskräftig dazu verdonnert, die Vorwürfe gegen die Frau zu unterlassen. Damit bahnte aber ausgerechnet Nataschas Mutter selbst den Weg für den jetzigen Wahrheitsbeweis, den Wabl erbringen will.

Bericht der Kampusch-Kommission bestätigt Mehrtäter-Theorie
Im Frühsommer dieses Jahres gab es großen Wirbel um den Bericht der "Kampusch-Kommission". Dieser beinhaltete neben peinlichen Polizei-Fehlern nach der Entführung und der Freilassung von Natascha Kampusch auch eindeutige Hinweise, dass Priklopil bei der Entführung und Gefangenhaltung von Natascha Kampusch Komplizen hatte.

Die Kommission warf darüber hinaus Kampuschs Betreuern und Beratern vor, die Ermittlungen "erheblich erschwert" zu haben. Seitdem blieben Staatsanwaltschaft (StA) und Justizministerium untätig – in Justizkreisen kursieren Informationen, wonach Justizministerin Maria Berger vor den Wahlen keinerlei Entscheidungen treffen wolle.

Umstrittener Arzt als Natascha-Gutachter - Martin Wabl kritisiert Psychiatrie-Guru
Er hat bereits beim Natascha-Prozess ausgesagt: Max Friedrich, Doyen der Kinderpsychiatrie, der wegen angeblich schlampiger Gutachten und mangelndem Einfühlungsvermögen bei Opferbefragungen heftig kritisiert wird. Sonntagabend verteidigte sich der Professor im TV Im Zentrum gegen diese Vorwürfe.

Im Fall Kampusch erstellte Friedrich nach dem Verschwinden des Mädchens 1998 eine wichtige Expertise: Demnach sei Natascha kein Opfer sexuellen Missbrauchs gewesen. Aufgrund des Gutachtens – das nur auf einem ORF-Bericht und einem Gespräch mit den Eltern basierte – stellte die Polizei Ermittlungen in diese Richtung ein. Martin Wabl glaubt nun, dass die Entführung genau deshalb so lange gedauert hat. Denn hätte man das Telefon der Mutter wegen möglicher Komplizenschaft beim (angeblichen) Missbrauch durch Priklopil abgehört, wären Ermittler prompt auf das Versteck des Entführers gestoßen. Das zumindest glaubt Wabl.

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