Syrer und Iraker
Studie: 47% der Flüchtlinge sind gut gebildet
23.09.2016
Nach Österreich gekommene Asylsuchende sollen ein "bemerkenswertes Integrationspotenzial" haben.
Eine Studie Wiener Demographen attestiert den 2015 nach Österreich gekommenen Asylsuchenden ein "bemerkenswertes Integrationspotenzial", so Studienautor Wolfgang Lutz. Insbesondere Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak seien gut gebildet, eher liberal eingestellt und stammen zumeist aus der Mittelschicht, zeigt die im Fachjournal "Plos One" veröffentlichte, auf einer Umfrage basierende Studie.
514 Asylwerber interviewt
Knapp 88.100 Personen haben der Studie zufolge 2015 in Österreich um Asyl angesucht, rund 71 Prozent davon stammten aus Syrien, Afghanistan und Irak. Auf diese Gruppe konzentrierte sich auch die Studie des "Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital" in Wien. Die Wissenschafter haben dafür im November und Dezember des Vorjahres 514 Asylsuchende in Notquartieren in und um Wien interviewt.
Sie wurden zu ihrer Herkunft, Ausbildung und ihren beruflichen Erfahrungen, ihrem Familienstatus, ihren Einstellungen und Werten sowie ihren Zukunftsplänen befragt. Die Erhebung bezog sich dabei nicht nur auf die Asylsuchenden selbst, sondern auch auf ihre engste Familie, sodass Rückschlüsse auf insgesamt knapp 1.400 Personen gezogen werden konnten.
"Die Erhebungen zeigen, dass insbesondere die Befragten aus den Bürgerkriegsländern Syrien und Irak verglichen mit der Bevölkerung im jeweiligen Heimatland gut gebildet sind, wenig traditionelle Werteinstellungen vertreten und überwiegend aus Familien der Mittelschicht stammen", fassten die Erstautorinnen der Studie, Isabella Buber-Ennser und Judith Kohlenberger, die Ergebnisse in einer Aussendung zusammen. 47 Prozent der Befragten haben zumindest einen Abschluss der Sekundarstufe II (z.B. AHS-Matura oder Lehre), 26 Prozent hatten einen Tertiärabschluss, also etwa einen Bachelor oder eine der BHS-Matura vergleichbaren Ausbildung.
Vorurteile widerlegt
Dies entspreche etwa dem Anteil von Menschen mit post-sekundärer Ausbildung in Österreich, so das Forschungsteam. "Die weit verbreitete öffentliche Annahme, Asylsuchende und Geflüchtete seien ungebildet oder gar AnalphabetInnen konnte in unseren Befragungen nicht bestätigt werden", so Buber-Ennser.
Hand in Hand mit dem hohen Bildungsniveau gehen nach Angaben der Wissenschaft auch Werte und Einstellungen der befragten Personen, die sich insgesamt als weniger traditionell orientiert begreifen. Verglichen mit aktuellen Daten des "World Values Survey", eine Erhebung, in der Einstellungen in arabischen Ländern, etwa zu Religion oder Geschlechtergerechtigkeit abgefragt wurden, zeigten sich die Geflüchteten in Österreich als durchgehend liberaler eingestellt als die Bevölkerung in ihren Heimatländern. Der Großteil der Befragten sind Muslime, aber knapp ein Viertel gab an, nicht religiös zu sein.
54 Prozent der weiblichen Befragten, aber nur 48 Prozent der Männer stimmten der Aussage zu, bei geringem Jobangebot sollten Männer eher Anspruch auf einen Job haben als Frauen - das ist deutlich weniger als in den arabischen Ländern. Eine deutliche Mehrheit aller befragten Frauen (85 Prozent) und Männer (68 Prozent) stimmte der westlichen Werten entsprechenden Aussage zu, dass ein Job "für Frauen die beste Art ist, eine unabhängige Person zu sein".
Menschen der Mittelschicht
Die erhobenen sozioökonomischen Faktoren zeigten, dass die befragten Asylwerber "Menschen der Mittelschicht ist", so Kohlenberger. So lebten vier Fünftel der Befragten vor ihrer Flucht im eigenen Haus oder dem der Familie. Die meisten gaben zudem an, dass sie für ihre Flucht Kosten von über 2.000 US-Dollar aufbringen mussten - was einem Vielfachen des durchschnittlichen Jahreseinkommens in den jeweiligen Herkunftsländern entspricht. Auch der Umstand, dass sich die überwiegende Mehrheit als gesund und arbeitsfähig einschätzt, lasse darauf schließen, dass die Geflüchteten aus besser situierten Schichten stammen, betonen die Studienautoren.
Auf Arbeitserfahrung in ihren Heimatländern können 72 Prozent der Befragten zurückblicken, wobei hier - im Gegensatz zum Bildungsstand - ein deutlicher Unterschied zwischen Männern (90 Prozent Arbeitserfahrung) und Frauen (42 Prozent) besteht. 85 Prozent der Befragten gaben ihren Gesundheitszustand als "gut" oder "sehr gut" an.
Für den Direktor des "Wittgenstein Centre", Wolfgang Lutz, sind die hohe Bildung, eher liberale Einstellung und die Zugehörigkeit zu den Mittelschichten ihrer Herkunftsländer "gute Voraussetzungen für eine gelingende Integration in unsere Gesellschaft." Diese Integration ist aber offensichtlich auch das Ziel eines Großteils der Asylwerber: Zwei Drittel (67 Prozent) sagen, dass sie auch bei einer Stabilisierung der Situation in ihren Heimatländern nicht dorthin zurückkehren wollten, 22 Prozent würden dies überlegen und elf Prozent wissen es nicht.