Prozess in Tirol
Terrorprozesse in Tirol endeten mit Haftstrafen
15.09.2016
Ein Nahost-Experte wertete die schiitische Miliz als Terroreinheit.
Zwei Prozesse wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung haben am Donnerstag am Landesgericht Innsbruck für zwei Iraker mit Haftstrafen geendet. Ein 21-Jähriger wurde zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt, ein 28-Jähriger zu zweieinhalb Jahren unbedingter Haft. Den Männern war vorgeworfen worden, eine schiitische Terrormiliz im Irak unterstützt bzw. für diese gekämpft zu haben.
Beide Angeklagten hatten zuvor in den Prozessen auf "nicht schuldig" plädiert. Beide Urteile waren vorerst nicht rechtskräftig. In jenem gegen den 21-jährigen Iraker wurden von den 24 Monaten Haft 16 bedingt nachgesehen. Die Iraker waren nach ihren mutmaßlichen Taten als Asylwerber nach Österreich gekommen.
Zwei Jahre Haft für 21-Jährigen
Der 21-Jährige hatte sich als Erster Donnerstagfrüh vor einem Schöffengericht verantworten müssen. Laut Anklage soll der Asylwerber unter anderem im Zuge von Kämpfen rund um die Stadt Tikrit Versorgungslieferungen für die schiitische Terrormiliz "Asa'ib al-Haqq" durchgeführt haben. Es gebe "starke Indizien", dass der Mann entgegen seinen Angaben vor Gericht tatsächlich Mitglied von "Asa'ib al-Haqq" war, erklärte der Richter in seiner Urteilsbegründung. So war der 21-Jährige etwa auf einem Bild mit einer Person zu sehen, die ein Symbol der Terroreinheit auf dem Kampfanzug getragen habe.
Mitbewohner des Angeklagten im Flüchtlingsheim sagten als Zeugen in auf Videos aufgenommenen Befragungen aus, dass der 21-Jährige ihnen gegenüber angegeben habe, in Kampfhandlungen verwickelt gewesen zu sein und Menschen getötet zu haben. Er habe als "Scharfschütze" agiert. Zudem habe der Iraker ihnen im Heim auch Handy-Fotos gezeigt, auf denen er bewaffnet zu sehen gewesen sei. Einer der Zeugen, ein Syrer, erklärte, dass ihm der Angeklagte zudem berichtet habe, mit der Hisbollah im Libanon trainiert und dann in Syrien gekämpft zu haben. Unter einem Video auf Facebook, das die Terroranschläge in Paris zum Gegenstand hatte, habe der Mann zudem den Kommentar "Wir werden Europa zerstören" gepostet.
Er habe der Terrormiliz nicht angehört, sondern lediglich deren Dachorganisation "al-Hashd ash-Sha'bi", erklärte der Iraker. Er habe nur einmal Essen geliefert, behauptete der Angeklagte. "Asa'ib al-Haqq" habe er nie angehört, die Miliz habe zudem in der Gegend gar nicht operiert. Sein Verteidiger betonte, sein Mandant sei nie in Kampfhandlungen involviert gewesen. Der 21-Jährige sei Mitglied einer vom souveränen Staat Irak rekrutierten Miliz gewesen, die nur auf dem irakischen Staatsgebiet gegen den Islamischen Staat (IS) gekämpft habe. In einer Volksmobilisierung sei zum Kampf gegen den IS aufgerufen worden.
Zweieinhalb Jahre Haft für 28-Jährigen
Dem 28-Jährigen war vorgeworfen worden, zwischen Sommer 2014 und Frühjahr 2015 für die Terrormiliz in Straßenkämpfen nahe Tikrit und Babel involviert gewesen zu sein. Zudem soll er als Leibwächter des Milizchefs fungiert haben. Der Mann habe gewusst, dass er sich einer Terrormiliz anschließt, begründete die Richterin das Urteil. Dessen Behauptung, dass er sich nur der Dachorganisation "al-Hashd ash-Sha'bi" angeschlossen habe, sei eine "schutzmäßige Behauptung" gewesen. Vor der Polizei hatte der 28-Jährige noch angegeben, für "al-Hashd ash-Sha'bi" gekämpft zu haben.
Der Verteidiger des Mannes argumentierte, dass sein Mandant "dort gelandet ist, wo ihn der Zufall hinverschlagen hat". Er betonte ebenfalls, dass der 28-Jährige lediglich einer Fatwa gefolgt sei, "um gegen die Terroristen des IS" zu kämpfen. Weder davor noch danach habe der Mann "radikale Botschaften" gesetzt, sondern ein "normales bürgerliches Leben" im Irak geführt. Der Iraker sehe sich als Held, der für eine gute Sache gekämpft habe
Nahost-Experten herbeigezogen
Sowohl im Prozess gegen den 21-Jährigen als auch im nachfolgenden gegen den 28-Jährigen wurde ein als Sachverständiger beigezogener Nahost-Experte angehört. Er erklärte, dass es sich bei der schiitischen Milizeinheit tatsächlich um eine Terrororganisation handle. Dies habe speziell nach dem Abzug der Amerikaner aus dem Irak im Jahr 2011 "schlimme Verbrechen", unter anderem an der Zivilbevölkerung, begangen.
Der Sachverständige berief sich in seinen Gutachten auch auf Berichte von Menschenrechtsorganisationen. Die Miliz "Asa'ib al-Haqq" sei etwa für die Zerstörung von Häusern und Dörfern im Irak verantwortlich. Zudem habe die Einheit IS-Kämpfer ohne vorheriges Gerichtsverfahren ermordet und Zivilisten, die im Verdacht des Naheverhältnisses zum IS stehen, getötet. "Zusammen mit anderen Milizen hat sie eine regelrechte Säuberung von Sunniten betrieben", sagte der Gutachter. Auch in Gebieten, wo es zu keinen Übergriffen gekommen sei, habe eine Massenflucht von Sunniten stattgefunden. Dies nenne er einen "terroristischen Effekt", so der Experte. Bei der Dachorganisation "al-Hashd ash-Sha'bi" handle es sich hingegen um keine Terroreinheit.
Beide Prozesse wurden am Landesgericht unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt. Unter anderem postierten sich vermummte Beamte einer Spezialeinheit der Polizei sowohl vor als auch in den Verhandlungssälen.