Monsterprozess
Tierschützer plädieren auf Freispruch
01.03.2010
Sie werden der "Beteiligung an einer kriminellen Organisation" angeklagt.
Einen Tag vor dem Wiener Neustädter Prozess gegen 13 Tierschützer haben die Anwälte der Beschuldigten in einer Pressekonferenz am Montag in Wien die Anklage nach Paragraf 278 a (Beteiligung an einer kriminellen Organisation) als "konstruierte Verdachtslage" bezeichnet. Damit sollten wohl die massiven Ermittlungsarbeiten legitimiert werden. Legale Kampagnentätigkeit werde kriminalisiert, die Überwachungsmethoden würden an Metternich'sche Zeiten erinnern, lautete die Kritik. Die Verteidiger werden auf Freispruch plädieren.
Dreijährige Observation
Nach mehr als dreijährigen
Observationen mit "mehr als dürftigem" Ergebnis gehe es im Grunde um den
Vorwurf, dass "lästige und laute NGO-Arbeit wem auch immer zu viel wurde",
meinte Stefan Traxler, der den Hauptangeklagten Martin Balluch, Obmann des
Vereins gegen Tierfabriken (VGT), und vier seiner Mitstreiter vertritt.
Dass die Überwachungsmaßnahmen - Beschattung, Lauschangriff, Videofallen, Peilsender - "nichts gebracht" hätten, sieht Traxler als den besten Unschuldsbeweis. Sechs der 13 Beschuldigten, darunter alle VGT-Angeklagten, werde keine einzige Straftat vorgeworfen. Es sei eine "eigenartige kriminelle Organisation, deren Mitglieder nicht einmal nach Darstellung der Staatsanwaltschaft Straftaten begehen" - es gebe keine Beweise und keine Indizien.
Mehr als 200 Zeugen
Zu den rund 130 Zeugen der Staatsanwaltschaft
werden die Verteidiger ihrerseits 100 Zeugen beantragen, zum Beweis dafür,
dass es sich um normale NGO-Aktivitäten gehandelt habe. In den Strafantrag
seien ein paar Straftaten "hineingestreut": So habe etwa ein Aktivist bei
einer Demo ein Transparent hochgehalten und sei dann weggelaufen, was sich
nun als Widerstand gegen die Staatsgewalt lese. Ein E-Mail an eine
Bekleidungskette, die Öffentlichkeit über die Leiden der Pelztiere zu
informieren, werde als Nötigung betrachtet. Laut Balluch sind im Strafantrag
35 Kampagnen aufgelistet, also "quasi alle der vergangenen Jahrzehnte".
Laut Alexia Stuefer, die drei Angeklagte vertritt, würde eine Vielzahl nicht geklärter Straftaten den Beschuldigten zugeordnet und damit verfassungsrechtlich geschützte Verhaltensweisen, die dem gesamtgesellschaftlichen Anliegen der Sorge um den Umgang mit Tieren dienen, kriminalisiert. Von der "konstruierten Mafia" lästiger Tierschützer habe man 13 herausgepickt. Die Besonderheit des § 278a sei, dass die Mitgliedschaft reiche, ein Schaden müsse nicht nachgewiesen werden, sagte Josef Philipp Bischof, Anwalt von drei Beschuldigten.
Tendenzielle Ermittlungen
Die Anwälte bekrittelten auch ihrer
Ansicht nach "tendenzielle" Ermittlungen: Die Polizei habe viel entlastendes
Material nicht weitergegeben. Kritik gab es weiters an der vor drei Wochen
auf drei weitere Beschuldigte ausgedehnten Anklage. Der mindestens 15.000
Seiten umfassende Akt sei in dieser kurzen Zeit nicht zu lesen. Dem Anwalt
des VGT-Geschäftsführers, Harald Karl, sei der Strafantrag am 12. Februar
zugestellt worden, weshalb er am vergangenen Freitag wegen zu geringer
Vorbereitungszeit Antrag auf Vertagung eingebracht habe.
Attacke der Bekleidungsindustrie
In den Raum gestellt wurde bei
der Pressekonferenz, dass die Soko in der Causa nach einem Meeting eines
Unternehmers aus der Bekleidungsindustrie mit der "Creme de la creme" der
Wiener Polizei eingesetzt worden sei. Wenn es eine "Cosa Nostra" in der
Causa gäbe, dann "zwischen Staatsanwaltschaft, Polizei und
Bekleidungsindustrie".
Angesprochen wurde u.a. auch der durch eine Stinkbombe in einer "Kleiderbauer"-Filiale entstandene Schaden. Dieser sei weit überhöht angegeben worden. Hingegen seien nicht nur die Ermittlungskosten enorm - allein ein linguistisches Gutachten schlage sich mit 35.000 Euro nieder -, sondern auch der Prozess für die Beschuldigten nicht leistbar, weshalb der Großteil Verfahrenshelfer habe. Ein Prozesstag würde pro Person 4.000 Euro kosten - 34 Verhandlungstage sind angesetzt.