2.000 Kilometer bei 7 Grad

17 Flüchtlinge in Kühl-Laster

01.03.2011

Der Fahrer hörte erst nach vier Tagen ein verdächtigtes Klopfen.

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© zeitungsfoto.at
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„Du hast ja Tomaten auf den Augen“: Diesen Satz wird der ungarische Chauffeur des Lasters einer OÖ-Spedition in nächster Zeit wohl öfter hören. Zum Scherzen war dem Lkw-Fahrer gestern allerdings nicht zumute.

6.45 Uhr: Der Fahrer biegt auf den Rasthof in Brixlegg (Bezirk Kufstein) ein, um zu tanken. Obwohl er bereits 2.000 Kilometer hinter und noch einen weiten Weg bis Norddeutschland vor sich hat, ist er putzmunter, als er aus dem Kühlraum des Aufliegers Klopfzeichen hört.

Rotes Kreuz kam mit 
elf Rettungsautos
Weil seine Firma schon mehrmals Pech mit illegal zugestiegenen Passagieren hatte (am selben Tag wurden in Sterzing in Südtirol aus einem zweiten Lkw 20 Afghanen gefischt), rief der Trucker gleich die Polizei. Tirols LKA-Chef Walter Pupp: „Der Lenker hat auf uns gewartet, die Beamten haben die Türen geöffnet, und 17 halb erfrorene Menschen stiegen aus dem Kühllaster.“ Praktisch zeitgleich mit den Polizisten kam auch die Rettung mit elf Einsatzwagen.

Blinde Passagiere im Krankenhaus untersucht
Harald Bachmeier vom Roten Kreuz: „Dafür, dass die Männer vier Tage bei sieben Grad zwischen den Steigen eingepfercht waren, sind sie erstaunlich gut bei Gesundheit gewesen.“ Nur vier der Flüchtlinge konnten sich nach der frostigen Reise kaum noch auf den Beinen halten – so dehydriert waren sie trotz der wasserreichen Tomatenkost.

Im Krankenhaus Kufstein wurden die 17 Flüchtlinge untersucht. Zurzeit werden ihre Identitäten überprüft (vermutlich stammen die jungen Männer aus Afghanistan). Danach wird entschieden, ob sie fremdenpolizeilich behandelt und nach Italien geschickt werden oder, laut Asylrecht, ins EU-Ersteintrittsland, also nach Griechenland, zurückmüssen.

Der Lkw-Fahrer wurde stundenlang von der Exekutive einvernommen – er dürfte tatsächlich nichts von seiner lebenden Fracht gewusst haben. Gerald Tatzgern vom BKA in Wien: „Es ist für uns nicht einfach zu erkennen, ob ein Chauffeur mitschneidet oder unfreiwilliger Handlanger der Schleppermafia ist.“ Am besten: Bei jedem Stopp nachschauen.

(kor, midi)


Route: Von Athen bis nach Innsbruck

Schuld ist das Wintergemüse. Es kommt meist von Zypern und wird in Athen oder am Hafen Patras von EU-Lkws abgeholt. Genau hier dürften die illegalen Passagiere zugestiegen sein. Ein Mitarbeiter der betroffenen Spedition: „Wir kennen das Problem und haben sogar Spezialschlösser. Trotzdem sind sie irgendwie rein.“ Die 2.000-Kilometer-Fahrt ohne Grenzkontrollen führte zuerst per Fähre nach Brindisi, von dort über die Autobahn nach Rom und Florenz und bis nach Österreich.

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