In Brüssel bereitet man eine Klage gegen das Tiroler Lkw-Fahrverbot vor. Die Fahrer halten sich aber offenbar vorübergehend daran.
In Tirol halten sich die Lkw-Fahrer offenbar an das auf der Inntalautobahn seit Freitag geltende umstrittene neue Fahrverbot für bestimmte Gütertransporte. Bis zu Mittag wurde noch kein einziges Fahrzeug mit derartiger Ladung beanstandet, zog die Polizei eine erste Zwischenbilanz. Laut IG-Luft ist ein Strafrahmen von bis zu 2.180 Euro vorgesehen. Einige Fahrzeuge seien zwar etwa mit Erdaushub angehalten worden. Es habe sich aber um Be- bzw. Entladungen im vorgesehenen Bereich gehandelt, erklärte der Chef der Verkehrspolizei, Oberst Markus Widmann. Zudem sei das Lkw-Aufkommen durch den Fenstertag geringer als an einem "normalen" Freitag.
Die Kontrollen erfolgen vor allem an den Autobahnüberwachungsstellen in Kundl und Radfeld. Bei Kundl würden beanstandete Lkw wieder zur "Rollenden Landstraße" zurück eskortiert. In jedem Fall erfolge eine Anzeige an die zuständige Behörde. Ein Ausweichen auf Bundes- oder Landesstraßen sei durch dortige Fahrverbote unmöglich.
Ausdehnung geplant
Die Maßnahme gilt zwischen Kufstein und Zirl
bei Innsbruck für alle Lkw über 7,5 Tonnen, die Abfälle, Steine, Erde oder
Aushub transportieren. Durch diesen ersten Schritt erhofft sich Tirol rund
35.000 Transitfahrten im Jahr weniger. Mit Jahreswechsel wird das Verbot
dann auf eine Reihe weiterer unverderblicher Güter ausgeweitet werden.
Darüber hinaus wird die Tirol mit 1. November dieses Jahres das
Nachtfahrverbot für Lkw abermals verschärfen und das generelle Fahrverbot
für alte Schwer-Lkw auf die Schadstoffklasse "Euro zwei" ausdehnen. Die
EU-Kommission hat gegen die sektoralen Fahrverbote ein
Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und wird am kommenden Dienstag ein
zweites Mahnschreiben an die Republik richten.
Tirol argumentiert die Fahrverbote mit der seit Jahren stetig gestiegenen Stickstoffdioxid- (NO2) und Feinstaubbelastung. Als erste Maßnahme hat das Land auf der Inntalautobahn 2007 schon Tempo 100 eingeführt.
Kritik aus Bayern
Kritik an dem Fahrverbot kommt aus dem
Ausland. Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein wiederholte erst
am Donnerstag: "Das sektorale Fahrverbot gefährdet die Existenz viele
kleiner und mittlerer Unternehmen in Bayern." Die umgrenzenden Länder,
für deren Frächter Tirol eine wichtige Transitroute darstellt, sprechen von
Diskriminierung, weil Fahrten, die in Tirol beginnen oder enden, weiter
erlaubt sind. Der internationale Frächterverband IRU (International Road
Transport Union) meint, dass durch die Umwege 60.000 Tonnen CO2 zusätzlich
erzeugt werden und warnte zuletzt wörtlich vor einem "Transitkrieg".
Straßentransport sei die "Lebensader" aller menschlichen
Aktivitäten.
Schon einmal hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) gegen die geplante Maßnahme entschieden. Vor drei Jahren hatte der EuGH das sektorale Fahrverbot in Tirol für EU-widrig erklärt. Damals hatten die Richter in Luxemburg kritisiert, dass es keine Alternativen zur Unterinntalautobahn gebe. Darüber hinaus sei die Maßnahme damals überfallartig eingeführt worden.
Neuerliche Klage droht
Diesmal hat sich Tirol deutlich mehr Zeit
gelassen. Außerdem haben die ÖBB die Kapazitäten auf der Rollenden
Landstraße (RoLa), bei der der Lkw von der Bahn "huckepack"
genommen wird, stark ausgeweitet. Anders als beim ersten Anlauf der Tiroler
2003 hat die EU-Kommission daraufhin diesmal auf einen Antrag auf
Einstweilige Verfügung verzichtet. 2003 war dadurch das sektorale Fahrverbot
erst gar nicht in Kraft getreten.
Mit der Einleitung der zweiten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens am kommenden Dienstag wird Österreich innerhalb von 30 Tagen zu einer Stellungnahme aufgefordert. Sollte die Stellungnahme die Kommission nicht überzeugen, kann sie Österreich neuerlich verklagen, was allgemein als wahrscheinlich gilt. Tirol hofft, dass bis zur Entscheidung des EuGH dann schon neue EU-Gesetze gelten, die eventuell auch eine höhere Lkw-Maut mit sich bringen könnten.