Das schrecklichste Erdbeben in Nepal seit 80 Jahren löst eine humanitäre Katastrophe aus.
Über eine Minute lang bebte Nepal. Ein Erdbeben der Stärke 7,8 und ein gutes Dutzend Nachbeben stürzten Samstagmittag das Bergsteiger-Paradies Nepal ins Chaos. Die Erdstöße ereigneten sich 80 Kilometer westlich der Touristen-Metropole Kathmandu.
Trümmerfeld. Straßen brachen auf. Hunderte Häuser stürzten wie Spielzeug in sich zusammen. Alte buddhistische Tempel und Bauwerke stürzten ein oder wurden schwer beschädigt, darunter auch Weltkulturerbestätten wie der neunstöckige Dharhara-Turm in der Innenstadt Kathmandus. Dort stürzte ein Tempel ein, in dem gerade eine Blutspende-Aktion im Laufen war. Das nepalesische Innenministerium geht von über 2.000 Toten aus. In Indien starben mindestens 34 Menschen in den Trümmern.
Überlebt. Mitten im Krisengebiet zwei Österreicher. Die Journalistin Claudia Schanza und der blinde Everest-Alpinist Andy Holzer. „Die Menschen wühlten mit bloßen Händen in den Trümmern“, schildert Schanza (siehe rechts). Andy Holzer überlebte das Beben am Mount Everest, berichtet seine Gattin Sabine. Er postete später auf seinem Blog, dass der ganze Berg vom Beben erzitterte.
Lawine riss Bergsteiger im Basislager mit
Um den höchsten Berg der Welt, östlich des Epizentrums, kam es zu dramatischen Szenen: Eine Lawine löste sich beim Basislager, riss mindestens 13 Bergsteiger in den Tod, so ein Sprecher der indischen Armee, die eine Rettungsmission entsandte. „Ich lief um mein Leben. Viele, viele Menschen sind auf dem Berg“, schilderte der rumänische Alpinist Alex Gavan Minuten nach der Katastrophe.
39 Österreicher erreicht
Das Außenministerium in Wien versucht indes zu klären, ob Österreicher unter den Opfern sind. „Rund 250 Bürger sind derzeit in Nepal. Wir haben vorerst keine Nachrichten über Tote“, so ein Sprecher des Ministeriums gegenüber ÖSTERREICH.
Es melden sich ständig besorgte Angehörige von Österreichern, die in der Region unterwegs sind. Bis Sonntagvormittag wurde laut Pressesprecher Martin Weiss eine Liste mit 61 Namen erstellt, davon konnten bisher 39 Personen erreicht werden, die alle unverletzt waren. Zu den übrigen 22 Österreichern gab es keinen Kontakt.
"Die Liste verändert sich ständig", hielt Weiss fest. Es sei außerdem nicht verwunderlich, dass sich mehrere Menschen noch nicht gemeldet. Die kontaktierten Österreicher, die in bergigen Regionen des Landes unterwegs waren, hätten zumeist von dem Erdbeben eher wenig mitbekommen.
Das Honorarkonsulat in Kathmandu blieb laut Weiss unbeschädigt. Es gab weiterhin keinen Hinweis auf verletzte Österreicher, weder in den Krankenhäusern noch bei den Behörden. Wo sich die nicht erreichbaren Personen genau aufhielten, war unklar. Viele Touristen in Nepal sind auf Rundreisen unterwegs.
VIDEO: Hunderte Tote nach Erdbeben
Austro-Alpinist ist am Everest: »Plötzlich brach die Eisdecke ein«
Andy Holzer, bekannter blinder Alpinist aus Osttirol, war während des Erdbebens in Nepal auf etwa 6.000 Meter am Weg hinauf zum Mount Everest: „Erst glaubten wir, wir gehen über einen See. Plötzlich brach die Eisdecke ein. Ich fühlte mich wie im Seemannsgang auf einem schwankenden Schiff. Begleitet war das Ganze von einem Grollen und Grummeln“, berichtet er in seinem Blog Samstagabend.
"Erde schwankte wie Schiff auf hoher See"
Claudia Schanza ist auf Urlaub in Nepal. Die Journalisten schreibt für ÖSTERREICH.
„Als die Erde zu beben begann, war ich gerade bei der Sehenswürdigkeit von Kathmandu, dem Bodnath-Stupa-Tempel. Meine Reisepartnerin und ich hielten einander fest. Wildfremde Menschen klammerten sich an mich.
Die Erde wankte unter unseren wackligen Beinen wie ein Schiff bei schwerem Seegang. Ich konnte sehen, wie bei der weltberühmten Anlage Türmchen einstürzten.
Menschen wühlten mit bloßen Händen im Schutt
Ich wollte den offenen Platz nicht verlassen, weil ich Angst vor einstürzenden Fassaden hatte. Nach mehreren Nachbeben konnten wir unseren Fahrer erreichen. Am Weg zum Hotel Bilder des Grauens: eingestürzte Hausfassaden, bergeweise Ziegel auf der Straße. Menschen, die mit bloßen Händen in den Trümmern nach Verschütteten wühlten. Im Hotel zeigen uns Engländer furchtbare Fotos: Sie waren gerade am Durbar Square und fotografierten den Dharahara-Turm (UNESCO-Weltkulturerbe, Anm.) mit Besuchern, als das Erdbeben alles zusammenfallen ließ. Nachdem sich die gewaltige Staubwolke gelegt hatte, sahen sie keinen einzigen der Menschen mehr, sie waren unter dem Schutt begraben.
Touristen müssen Trek zum Everest abblasen
Während ich schreibe, erzählt mir eine Amerikanerin, dass sie morgen zum Mount Everest aufbrechen wollte. Ihr Urlaub endet, bevor sie ihn angetreten hat. Und dabei hat sie noch Glück im Unglück, und sie weiß es auch.“