Neues Trainingsprogramm soll im Unterricht unter anderem "alternative Konfliktlösungen" etablieren.
An der Pädagogischen Hochschule Tirol (PHT) tätige Lehrende wollen mit einem Trainingsprogramm für Schulen an ebendiesen Gewalt verringern und "alternative Konfliktlösungen" verankern. Mit Mitteln wie etwa "fairen" Rauf- bzw. "Ranggelkämpfen" oder einem "Wuttunnel", in den die Kinder ihre Wut schreien können, wolle man "personale und soziale Kompetenzen stärken" und damit eine "Basis für nachhaltige Gewaltprävention schaffen", sagte die PHT-Lehrende Vera Zass im APA-Gespräch.
Das in einem mittlerweile abgeschlossenen Forschungsprojekt von 2018 bis 2024 entwickelte und erprobte Konzept sei vorrangig in einer Volksschule mit sonderpädagogischem Zentrum in Tirol erarbeitet und dort in der Praxis erprobt worden, betonte Zass, die das Projekt zusammen mit ihrer Kollegin Klaudia Kröll federführend abwickelte. "Die dort erarbeiteten Bausteine lassen sich aber mit kleinen Adaptierungen auch gut in anderen Schultypen gewinnbringend einsetzen", strich sie heraus. Konstant dabei bleibt jedenfalls stets, dass sich das Trainingsprogramm über vier Jahre erstrecke, in denen jeweils ein "Baustein" und dessen Inhalt umgesetzt werde.
"Impulsregulierung" und "Verortung der Wut" als zentrale Punkte
Im ersten Jahr bzw. ersten Baustein gehe es darum, "den Selbstwert der Kinder zu stärken", im zweiten Jahr sei das Thema Kommunikation zentral, im dritten Jahr "Kooperation" und im vergangenen Jahr arbeite man daran "Konflikte friedlich und konstruktiv zu lösen", führte Zass aus. Die Kinder und Jugendlichen lernten dabei viel über "Impulsregulierung" oder die "eigene Wut", die es erstmals für diese überhaupt "körperlich" zu verorten gelte.
"Körperlichkeit" spiele eine zentrale Rolle bei dem Trainingsprogramm und dessen Bausteinen. "Strategien um dieses Thema erlebbar zu machen, sind zum Beispiel Ranggelkämpfe mit klaren Regeln und Grenzen oder das Durchschlagen einer Zeitung mit Fäusten und Füßen", erläuterte Zass. Dabei gehe es erst einmal darum, das Thema Gewaltprävention auch in den Bewegungs- und Sportunterricht zu holen. Damit sollte man bereits "früh beginnen", denn "je kleiner die Kinder sind, desto mehr schreiben sich gewaltfreie Muster und Verhaltensweisen körperlich und sinnlich ein", war sich die Expertin sicher. Damit sei "dauerhafte und nachhaltige Veränderung möglich."
Programm soll "Handlungsspielräume" in Konfliktsituationen ermöglichen
Derselben Meinung war auch Michaela Schmolmüller, die an der Praxismittelschule der PHT mit den Methoden und Bausteinen bereits unterrichtet und arbeitet. "Es geht insgesamt darum, Handlungsspielräume für junge Menschen in Konfliktsituationen zu ermöglichen", erklärte sie.
Dabei sei es nicht nur wichtig, die Übungen des Programms wiederholt einzuüben, sondern damit auch die Schülerinnen und Schüler "zu unterstützen". Auch für die Pädagoginnen und Pädagogen ändere sich etwas durch das Trainingsprogramm: "Wenn man dieses Konzept stets im Hinterkopf hat, dann nimmt man besser wahr, was die Bedürfnisse der Klasse sind lebt natürlich auch unter anderem gewaltfreie Kommunikation vor", so Schmolmüller.
Wichtig seien solche Trainingsprogramme besonders auch angesichts einer Gesellschaft, die gegenwärtig stetig "diverser und vielfältiger" werde, verwies Schmolmüller. "Es geht bei dem Programm auch um Toleranz und um das Zulassen des Anders-Seins."
Man müsse den Gewaltbegriff insgesamt sehr weit fassen und darunter etwa auch "Cybermobbing" - also Mobbing etwa in Chat-Gruppen oder in den Sozialen Netzwerken - subsumieren. Gewalt suche sich jedenfalls immer neue Orte und Formen. Deshalb gelte es, Trainingsprogramme wie ebenjenes, aus dem Forschungsprojekt Entstandenes sowie damit verbundenes "Soziales Lernen" noch stärker in den Schulen zu verankern, betonte die Mittelschullehrerin.