Es hätte der größte Triumph der Extremalpinistin Gerlinde Kaltenbrunner werden sollen – der Sturm auf den K2. Er endete in einer Tragödie.
13 Achttausender hat sie bereits geschafft. Ohne Sauerstoff! Gerlinde Kaltenbrunner ist die „beste Extrembergsteigerin der Jetztzeit“, sagt Berglegende Reinhold Messner zu ÖSTERREICH. Der K2 aber, der zweithöchste Berg der Welt und letzte Achttausender, den sie noch nicht besiegt hat, ist ihr Schicksalsberg. Unbezwingbar.
2009 scheiterte sie am schlechten Wetter: „Es hat nicht sollen sein“, sagte sie damals. Heuer startete sie voller Zuversicht. Ralf Dujmovits, ihr deutscher Ehemann und Bergkamerad, schildert: „Gerlinde ist heute Nacht um 1.30 Uhr mit Fredrik (Ericsson) und dessen Freund Trey, einem Amerikaner, vom Lager IV auf der Schulter des K2 losgestiegen.“ Die Schulter liegt in 8.000 Meter Höhe. Das Wetter war schlecht. Starker Wind. Geringe Sicht. Neuschnee. Die sechs anderen Bergsteiger, die Kaltenbrunner seit 24. Juli begleiteten, blieben deshalb in ihren Zelten im Camp IV zurück.
Kaltenbrunner aber wollte nicht aufgeben. Sie klammerte sich an die Hoffnung, dass das Wetter doch noch aufklaren könnte: „Charly Gabl (Meteorologe) aus Innsbruck hat uns aufklarendes Wetter bestätigt“, schreibt der Ehemann der Extrembergsteigerin: „Deshalb blieben die drei bei Ihrem Entschluss.“ Sie wollten den Gipfel. Unter allen Umständen.
Bergkamerad stürzte direkt vor Kaltenbrunner ab
Um sieben
Uhr meldete sich Gerlinde Kaltenbrunner vom Beginn des sogenannten
Flaschenhals („Bottleneck“). Laut Reinhold Messner eine „höllisch
gefährliche Angelegenheit“. Eine Engstelle zwischen Fels und senkrechtem
Eisabbruch. Absolute Todeszone. Schon der Weg dahin ist eine unendliche
Schinderei: „ Viele bleiben im brusthohen Schnee stecken, geben auf. Ohne
Sauerstoffgerät ist der Flaschenhals kaum zu bewältigen“, sagt Messner.
Der Amerikaner Trey gab an dieser Stelle auf. Kehrte um. Nur der Schwede und Kaltenbrunner stiegen weiter auf. Ericsson hatte sogar Skier mit. Er wollte nach dem Gipfelsieg mit Skiern vom K2 abfahren.
Eine Stunde lang kämpfte das Duo weiter. Es waren bloß noch 400 Höhenmeter bis zum Gipfel. Dann die Katastrophe. Ralf Dujmovits: „Um 8.10 Uhr meldet sich Gerlinde mit Entsetzen: Fredrik sei an ihr vorbei gestürzt und sie steige sofort ab, um nach ihm zu schauen.“ Ein unmögliches Unterfangen: „Wer hier abstürzt, fällt 1.000 Meter tief“, sagt Messner.
Kaltenbrunner fand bloß einen der beiden Ski, die der Schwede mithatte.
Ericsson war im tiefen Schnee unangeseilt vorgestiegen. Machte Spur für Kaltenbrunner. Als er an einer Felsinsel seitlich des Flaschenhalses einen Sicherungshaken in den Fels schlagen wollte, rutschte er weg. Er stürzte mehr als 1.000 Meter tief. Seine Leiche liegt in einem Eisfeld auf 7.200 Meter Höhe: „Lass ihn dort liegen“, sagte sein Vater: „Niemand soll mehr sterben.“ Kaltenbrunner stieg nach dem Unglück ins Basislager ab. Ob sie einen weiteren K2-Versuch wagen will? Nur sie kann das entscheiden.