Neue Route

Trotz Kälte täglich Tausende Flüchtlinge

17.10.2015


Ungarns Grenzzaun führt zu einer neuen Flüchtlingsroute. Sie kommen nun aus Süden.

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© EXPA / APA
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Die Flüchtenden trotzen Regen und Temperaturen knapp über null. In Sandalen frierend, eine Decke um die Schultern, kamen sie auch am Samstag aus ­Ungarn in Nickelsdorf an. Bis zum Vormittag 2.200.

Südsteirische Grenzstädte werden neue Asyl-Hotspots
Das wird sich nun ändern. Ungarns Premier Viktor Orbán schottet sein Land ab und lenkt so die Flüchtlingswelle am Balkan um: Seit Freitagnacht ist auch die Grenze zu Kroatien mit einem Zaun gesichert. „Noch merken wir in Nickelsdorf keine Abnahme. Es steht ja noch nicht einmal fest, ob dieser Zaun irgendeine Wirkung zeigt“, hieß es aber noch am Samstag von der Polizei im Burgenland.

Doch Spielfeld und Bad Radkersburg in der Südsteiermark lösen Nickelsdorf bereits als Hotspot der Krise ab. Denn täglich treffen in Serbien rund 5.000 Flüchtlinge neu ein. Sie werden nun in Etappen via Kroatien und Slowenien nach Österreich weitergebracht.

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Neue Flüchtlingsrouten. Grafik: APA

450 Flüchtlingsankünfte an der Grenze in Spielberg
Die ersten 450 Menschen kamen Samstagnachmittag an, weitere Gruppen wurden erwartet. Zunächst werden die Menschen in Unterkünften an der österreichischen Grenze untergebracht. Dann starten sie in Gruppen den Grenzübertritt. Wie viele es werden, darüber lässt Slowenien hiesige Behörden im Dunkeln. Einziger Anhaltspunkt: Slowenien hat Übernachtungskapazitäten von 7.500 Plätzen eingerichtet.

Planung. Die Vorbereitungen laufen dessen ungeachtet. 160 Soldaten und mehrere Dutzend Polizisten wurden gestern in die Steiermark verlegt. Für die Ankommenden stehen Notzelte und Erstversorgung bereit. Je nach Quartier-Lage werden die Menschen überstellt. Das wird aber immer schwieriger – denn die „Transitunterkünfte“ werden zunehmend mit Asylwerbern belegt.

Eines bleibt gleich: Fast alle Flüchtlinge wollen weiter nach Deutschland. Österreich reicht sie wie die Balkan-Staaten weiter. Doch Deutschland will diese Entwicklung schon bald mit „Transitzonen“ bremsen.

Asyl-Kollaps: "Tausende Obdachlose"

Das Skandal-Asyllager Traiskirchen sei „am Weg in die Normalität“, hieß es noch am Freitag aus dem Innenministerium. „Nur“ noch 1.700 Flüchtlinge sind dort wegen des verhängten Aufnahmestopps untergebracht. Kritik kommt nun vom Wiener Flüchtlingskoordinator Peter Hacker. Die Sperre des Lagers habe die ­Lage in anderen Landesteilen dafür verschärft: „Wir haben obdachlose Asylantragsteller, und zwar nicht ein paar Dutzend. Alleine in Wien sind 3.600 in Notquartieren untergebracht.“ Denn aufgrund des Quartiermangels können Asylwerber nicht mehr binnen 48 Stunden in die Versorgung aufgenommen werden. „Diese 48 Stunden dauern in der Zwischenzeit eineinhalb Monate“, so Hacker. Er fordert, dass das Innenministerium mit dem Durchgriffsrecht rasch neue Unterkünfte schafft.

Mikl: "85.000 Asyl-Anträge in diesem Jahr"

ÖSTERREICH: Viele Flüchtlinge sind von Obdachlosigkeit bedroht. Warum gibt es dennoch einen Aufnahmestopp für Bundesquartiere?
Johanna Mikl-Leitner: Es gibt keinen Aufnahmestopp, sondern vollbelegte Quartiere. Alle Stellen versuchen nach Kräften, alle Menschen unterzubringen – sei es nun in Landes- oder in Bundesquartiere. Sichergestellt ist, dass jedenfalls Frauen und Kinder feste Quartiere bekommen.

ÖSTERREICH: Warum werden trotz Durchgriffsrechts keine neuen Quartiere geschaffen?
Mikl-Leitner: Das geschieht ja bereits in einigen Fällen. Andere Standorte sind noch in Vorbereitung. Leider gibt es auch Fälle, denen intensive Mietvertragsverhandlungen vorausgehen. Was wir nämlich sicher nicht machen, ist, dass auf Kosten der Steuerzahler massiv überhöhte Mieten bezahlt werden.

ÖSTERREICH: Gibt es einen Notfallplan, falls das Weiterschicken von Flüchtlingen nach Deutschland gar nicht mehr funktioniert?
Mikl-Leitner: Es gibt verschiedene Szenarien, auf die wir vorbereitet sind. Die werden wir aber nicht im Einzelnen über die Medien kommunizieren.

ÖSTERREICH: Rechnen Sie damit, dass Bayern die Grenzen schließt?
Mikl-Leitner: Ich rechne damit, dass das Vorgehen an der deutschen Grenze in Berlin entschieden wird. Dabei spielt die Kommunikation zwischen unseren Regierungen eine entscheidende Rolle – und die Tatsache, dass sich Österreich auf jedes mögliche Szenario vorbereitet.

ÖSTERREICH: Wie viele Asylanträge erwarten Sie 2015?
Mikl-Leitner: Es kann sich vieles schnell ändern, aber derzeit gehen die Experten von rund 85.000 Asylanträgen aus.
 
(knd)
 

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