Der verdächtige Pfarrer hält in den Gemeinden weiterhin Messen ab.
Die Diözese Graz-Seckau sowie der Vatikan stehen unter dringendem Verdacht, den weitreichenden Missbrauchsfall eines steirischen Pfarrers jahrelang vertuscht zu haben, berichtet die Wiener Wochenzeitung Falter.
Missbrauch seit 1982
Der erste Missbrauch des steirischen
Pfarrers soll auf das Jahr 1982 datieren. Obwohl der damalige Bischof Johann
Weber Ende der Neunzigerjahre konkrete Vorwürfe auf dem Tisch hatte,
versetzte er den Priester bloß und vertraute ihm neue Gemeinden an. Dies
erklärt die Diözese damit, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen
eingestellt hatte.
Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft Graz nahm damals Ermittlungen
gegen den Pfarrer wegen sexuellen Missbrauchs in zwei Fällen auf, stellte
sie aber bald danach wegen Beweismangels und Verjährung ein. Außer den
zwei mutmaßlichen Opfern wurden damals nur drei aktuelle Ministranten von
den Ermittlern befragt, obwohl der Pfarrer im Laufe seiner Amtszeit
mindestens siebzig Ministranten gehabt hatte. Die Staatsanwaltschaft
rechtfertigt sich gegenüber dem Falter mit "Fingerspitzengefühl:
Wenn nichts dran ist, ist der Mann ruiniert."
Nach einem Jahr "Urlaub" überantwortete die Diözese dem Pfarrer weitere Gemeinden in der Südsteiermark. Drei Jahre nach den ersten Ermittlungen wurde die Staatsanwaltschaft abermals aktiv. Diesmal wurde der Pfarrer verdächtigt, mindestens 13 Burschen im Alter zwischen 5 und 18 Jahren wiederholt sexuell und schwer sexuell missbraucht zu haben. Das Verfahren wurde abermals eingestellt.
Urteil wieder aufgehoben
Weil Opfer weiter intervenierten,
stellte der damals erst wenige Monate im Amt befindliche Bischof Egon
Kapellari den Pfarrer vom Dienst frei. Unter Zustimmung der römischen
Glaubenskongregation fand das erste Kirchengerichtsverfahren wegen
Missbrauchs in Österreich statt. Es endete mit einem Schuldspruch für den
Pfarrer. Wie der Falter nun berichtet, hob die Glaubenskongregation, der
aktuell auch der Wiener Kardinal Christoph Schönborn angehört, das Urteil
allerdings im Jahr 2006 wegen Verjährung der Tatbestände auf.
Als die Kongregation das Verfahren bestellte, stand Kardinal Joseph Ratzinger an ihrer Spitze. Als Rom das Urteil aufhob, war er bereits Papst Benedikt XVI. Dass die Kirche einen Prozess führt, dessen Urteil sie hinterher wegen Verjährung aufhebt, ist laut dem Kirchenrechtler Wilhelm Rees höchst unüblich. Gerhard Holotik, jener Prälat des Erzbischöflichen Metropolitan- und Diözesangerichts in Salzburg, der das Gerichtsverfahren geleitet hatte, erklärte dem Falter, Er habe sich wegen der Verjährung sehr wohl im Vorhinein abgesichert. "Wir haben die Sache ja von Rom zugewiesen bekommen. Sie können sich denken, wie wir empfinden, wenn unser Urteil plötzlich aufgehoben wird. Ich bin nicht glücklich über das Ganze."
Weiter im Dienst
Noch nach dem Prozess im Jahr 2006 ließ der
Pfarrer allerdings verlauten: "Als Aushelfer bin ich in den Pfarren
begehrt". Ein Sprecher der Diözese kann nicht ausschließen, dass er
"gelegentlich eine Messe feiert, da er ja als Priester nicht suspendiert
ist". Das, obwohl Bischof Kapellari versprochen haben soll, ihn nicht mehr
in die Nähe von Kindern kommen zu lassen.