Der Killer von Dornbirn war zigfach vorbestraft und saß Jahre hinter Gittern.
Vbg. Die kriminelle Karriere von Soner Ö. begann 1999. Es war das Jahr, in dem der in Vorarlberg geborene Kurde 14 Jahre alt wurde. Von da an wurde er Stammkunde bei der Justiz im Ländle. Sein Vorstrafenregister liest sich wie ein Streifzug durch das Strafgesetzbuch.
Die Liste der Delikte ist gewaltig: Soner Ö. wurde wegen Einbruchs, Diebstahls, Widerstands gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung, schwerer Körperverletzung, gefährlicher Drohung, Kfz-Diebstahls und Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz verurteilt. Diese Straftaten beging er innerhalb von acht Jahren.
Illegal wieder ins Land eingereist
Insgesamt saß der Kurde mehr als fünf Jahre hinter österreichischen Gittern. Aufgrund seiner kriminellen Energie wurde ihm 2009 der Aufenthalt im Lande verboten. Ein Jahr später reiste er aus. Am 7. Jänner kam er illegal mit einem Schlepper zurück. Über den Umweg Thalheim (OÖ) ging er wieder nach Vorarlberg. Zuletzt lebte der 34-Jährige in Lustenau und bat erneut um Asyl.
Seit dem Tag wandte sich Soner Ö. ungeniert an die Behörden, die seine Vorgeschichte kannten und dennoch rechtlich nichts unternehmen konnten. Der neuerliche Antrag auf Asyl hebelte das frühere Aufenthaltsverbot aus.
Rasches Asylverfahren-Ende gefordert
Das laufende Asylverfahren im Fall des 34-jährigen Türken, der am Mittwoch den Sozialamtsleiter der BH Dornbirn getötet haben soll, ist nach Auffassung des Vorarlberger Sicherheitslandesrats Christian Gantner rasch zu beenden. "Ein schnelles Handeln ist zum Schutz der Bevölkerung notwendig", betonte er in einer Aussendung. Die Strafbehörden ersuchte er, mit aller Härte des Gesetzes vorzugehen.
"Es gibt null Toleranz für solche Gewalttaten", stellte der Landesrat fest. An Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wandte er sich mit dem Anliegen, "eine rasche Beendigung des Aufenthaltsrechts dieses Gewalttäters zu prüfen und dessen Ausweisung zu veranlassen". Wer in Vorarlberg und Österreich leben wolle, müsse sich an die hiesige Werte- und Rechtsordnung halten. "Vor allem Gewalt ist in keiner Form zu dulden. Wer das nicht einsehen will und massiv dagegen verstößt, für den ist hier kein Platz", so Gantner.
Wie zuvor Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sah es auch Gantner als "höchst problematisch" an, dass eine amtsbekannte Person mit Aufenthaltsverbot bis zum Ausgang des Asylverfahrens auf freiem Fuß belassen werde. Daher gelte es auf Bundesebene im Rahmen der Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention die rechtlichen Voraussetzungen für eine diesbezügliche Änderung zu schaffen.
GÖD: Keine hundertprozentige Sicherheit
Am Tag nach der Tötung eines Sozialamtsleiters in Dornbirn sind am Donnerstag die Sicherheitsvorkehrungen in Österreichs Ämtern in den Fokus gerückt. "Hundertprozentige Sicherheit wird es nicht geben können", sagte Peter Oberlehner, Bundesvorsitzender der Landesverwaltung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Es müsse aber für Sicherheit und Sicherheitsgefühl der Mitarbeiter gesorgt werden.
Eine flächendeckende Ausstattung mit Sicherheitsschleusen in allen Bezirkshauptmannschaften in Österreich werde "noch dauern", sagte Oberlehner. Der Fall in Vorarlberg ist "furchtbar tragisch" und werde die Sicherheitsthematik in Ämtern womöglich zusätzlich befeuern.
Beim grundsätzlichen Thema Sicherheit in Amtshäusern gibt es laut Oberlehner "viele Bemühungen". Es sei auch Geld in die Hand genommen und manches umgesetzt worden, erinnerte er im Gespräch mit der APA an die Installierung von Sicherheitsschleusen an Gerichten nach Gewalttaten mit Waffen.
"Ein Restrisiko wird immer bleiben", betonte Oberlehner. Der Beschuldigte in Dornbirn sei etwa "genau dort hingegangen, wo er vor zehn Jahren einen negativen Bescheid bekommen hat". Aus seinem Wissensstand aus Oberösterreich, sind tätliche Angriffe auf Bezirkshauptmannschaften in jüngerer Vergangenheit nicht mehr geworden. Es gebe jedoch mehr verbale Attacken. "Wir können nicht erwarten, dass Mitarbeiter mit Angst ins Büro gehen", sagte Oberlehner. Der Beamten-Gewerkschafter forderte eine "vernünftige Zusammenarbeit", wie man die Sicherheit verbessern könne, aber ohne zu "dramatisieren".
Schock und Ärger in Vorarlberg nach Tötung von Sozialamtsleiter
Der Schock über den tödlichen Messerangriff auf den Sozialamtsleiter der Bezirkshauptmannschaft (BH) Dornbirn ist in Vorarlberg auch am Tag nach der Attacke tief gesessen. Zudem sorgte die rechtliche Seite des Falls für Empörung, denn gegen den 34-jährigen Türken bestand ein Aufenthaltsverbot. Das Land will die Sicherheitskonzepte der Behörden überarbeiten.
Die Erstaussagen des Tatverdächtigen seien "schockierend", er habe "keinerlei Reue" gezeigt. Man gehe von einem "kaltblütigen Mord" aus, so Ermittler Norbert Schwendinger bei einer Pressekonferenz der Behörden am Donnerstag. Der getötete 49-Jährige hatte Ende 2009 gegen den mehrfach straffällig gewordenen Türken, der 1985 in Lustenau geboren wurde, ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot für den gesamten Schengenraum erwirkt. 2010 verließ der Türke Österreich, kehrte aber Anfang 2019 offenbar per Schlepper zurück. Am 18. Jänner stellte er als angeblicher Kurdenkämpfer in Thalham in Oberösterreich einen Asylantrag und reiste privat nach Vorarlberg weiter, wo sein Bruder lebt.
In den Folgetagen wurde der Mann mehrfach auf der BH Dornbirn vorstellig, weil er Grundversorgung für Asylwerber (richtig) erhalten wollte. Da die Unterlagen aus seiner Wohngemeinde Lustenau noch nicht eingetroffen waren, wurde er abgewiesen. Bereits bei diesen Besuchen hatte sich der 34-Jährige laut Bezirkshauptmann Helgar Wurzer "ziemlich aggressiv" verhalten.
Am Mittwoch drang der Mann schließlich direkt in das Büro des Sozialamtsleiters vor und verlangte neuerlich Geld. Dabei wurde dem 34-Jährigen zugesichert, dass die Angelegenheit noch am selben Tag erledigt werde. Gegen 15.15 Uhr kehrte er, bewaffnet mit einem laut Schwendinger "langen Küchenmesser" zurück, ging zielstrebig in das Büro des 49-Jährigen und stach dort während eines lauten Streits mehrfach auf den Mann ein. Dieser starb an Ort und Stelle. Eine Mitarbeiterin im Vorzimmer des Sozialamtsleiters, die Schreie hörte, alarmierte die Polizei.
Der 34-Jährige flüchtete, wurde aber wenig später im Bereich des Kulturhauses Dornbirn festgenommen. "Wir stehen alle unter Schock", fasste Wurzer die Gemütslage der BH-Mitarbeiter zusammen. Sie erhalten psychologische Betreuung. Der Getötete hinterlässt seine Lebensgefährtin und zwei Söhne.
Wallner würdigte Opfer
Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) würdigte den 49-Jährigen als hochkompetente, erfahrene Führungskraft mit höchster Einsatzbereitschaft. Laut Wallner hatte der Bund den Tatverdächtigen am 18. Jänner zur Übernahme in die Grundversorgung angeboten. Das habe man abgelehnt und dabei auf die kriminelle Vergangenheit des 34-Jährigen aufmerksam gemacht.
Warum gegen den angeblich als Kurden in der Türkei verfolgten Mann kein Schnellverfahren eingeleitet bzw. warum er auf freiem Fuß war, sorgte bei Wallner für "Ärger und Unverständnis". Er habe Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in einem Telefonat um eine genaue Prüfung des Falls gebeten. Die Rechtslage - die Menschenrechte stünden höher als ein Aufenthaltsverbot - sei nicht einfach." Aber niemand versteht diesen Zustand, ich auch nicht. Das macht wütend", so Wallner. Man könne angesichts des Vorfalls nicht zur Tagesordnung übergehen.
Man nehme eine zunehmende Sorge bei den Verwaltungsmitarbeitern angesichts aggressiver Bürger wahr. "Das bringt Mitarbeiter unter Druck und setzt sie einem Risiko aus", sagte Wallner. An der Frage, wie man damit umgehe, werde intensiv gearbeitet. Bereits seit Mitte 2018 werden in Vorarlberg die Sicherheitskonzepte für das Landhaus und die vier Bezirkshauptmannschaften überarbeitet. An sich lege man Wert auf einen offenen Behördenzugang, doch man stelle nun fest, dass das an Grenzen stoße, erläuterte der Landeshauptmann. Für die Behördengebäude sind Sicherheitsschleusen bestellt, "bisher gingen wir davon aus, dass wir das nicht benötigen".
Sicherheitslandesrat Christian Gantner (ÖVP) sprach von einer "völlig neuen Gefährdungslage", die in der weiteren Konzeption Berücksichtigung finden müsse. Einige Maßnahmen, etwa automatische Schiebetüren für das Landhaus, seien bereits umgesetzt. Zu den weiteren Maßnahmen gehörten etwa eine interne Notfallkoordinationsstelle, Alarmtasten an gefährdeten Arbeitsplätzen, Handlungsempfehlungen und Schulungen für Mitarbeiter, Online-Zugriff auf Gebäudepläne für die Polizei und die Überwachung der Zugänge.
Der Vorfall löste in ganz Österreich Bestürzung aus. Neben der Landesregierung, Landesbischof Benno Elbs und den Landesparteiobleuten kondolierte auch die Türkische Kulturgemeinde (TKG) den Hinterbliebenen. Kickl zeigte sich bestürzt. "Leider zeigt auch dieses schreckliche Ereignis Unzulänglichkeiten im bestehenden internationalen Asylsystem, das wir genau analysieren werden", sagte der Innenminister. Jetzt sei noch nicht der Zeitpunkt für allfällige rechtliche Schlussfolgerungen. Das erfordere eine sorgfältige Betrachtung des tragischen Vorfalls und der relevanten rechtlichen Bestimmungen im europäischen und internationalen Kontext, betonte Kickl. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) brachte über Twitter sein "tiefempfundenes Mitgefühl der Familie, allen Freunden und Arbeitskollegen des ermordeten Mitarbeiters der BH Dornbirn" zum Ausdruck.