Nicht ausgeknockt
Weil IS-Häftling türmte - Wärter erfand Fausthieb
29.11.2024Ein 47-jähriger Justizwachebeamter stand vor Gericht - nicht weil er einen 19-Jährigen hat entwischen lassen, sondern weil er danach behauptete, von dem Häftling einen Fausthieb erhalten zu haben. Wie Videoaufnahmen aus einer Überwachungskamera zeigten, war dies nicht der Fall.
Wr. Neustadt. Der Prozess gegen einen Justizwachebeamten nach der Flucht eines terrorverdächtigen Untersuchungshäftlings ging am Freitag mit einer Diversion zu Ende - nach Zahlung einer Geldbuße in der Höhe von 4.000 Euro wird das Verfahren eingestellt.
Dem Justizwachebeamten wurden Missbrauch der Amtsgewalt und Verleumdung vorgeworfen. Er bekannte sich vollinhaltlich schuldig. Er habe "aus Scham" die falschen Angaben gemacht und dass ihm nach seiner 20-jährigen Karriere zum ersten Mal ein Häftling entwischt war.
Am 1. Februar 2024 hatte der junge Häftling einen epileptischen Anfall, nicht zum ersten Mal. Deshalb entschied man sich, am nächsten Tag einen Neurologen im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien zu konsultieren. Der Oberarzt des Krankenhauses gab die Anordnung, den Häftling trotz der schweren Vorwürfe "nicht geschlossen" - also ohne Handschellen - zu bringen, da aufgrund seiner Erkrankung Lebensgefahr bestehen könnte, sollte er stürzen.
In Pyjama und Schlapfen davongerannt
"Es war alles problemlos, bis zum Zeitpunkt der Rückkehr", sagte der Beschuldigte. Als der Justizwachebeamte mit dem Insassen, der nur einen Pyjama und Schlapfen trug, in den Lift stieg und den Knopf drückte, nutzte das der 19-Jährige aus. Kurz bevor sich die Tür schloss, schlüpfte der Bursche durch und rannte davon.
Der Justizwachebeamte, wie auf dem Überwachungsvideo zu sehen ist, kämpfte noch damit, die Tür wieder aufzudrücken und nahm die Verfolgung auf. Weil sich der 47-Jährige beim Türaufdrücken eine Verletzung am Kopf zugezogen hatte, sprach ihn deshalb sein Vorgesetzter darauf an. Der Wärter behauptete daraufhin, er sei mit der Faust attackiert worden. Gegen den Beamten läuft noch ein Disziplinarverfahren. Die Behörde wollte das heutige Strafverfahren abwarten. Weil er dem Häftling keine Handschellen anlegte, hatte er bereits eine Disziplinarstrafe in der Höhe von 500 Euro erhalten.
Der 19-Jährige ist in der Zwischenzeit am 9. Oktober in Wiener Neustadt rechtskräftig wegen Mitgliedschaft einer kriminellen Organisation und einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden.