Der Burgenländer Reinhard Szekely überlebte das Moskau-Attentat.
Nur Sekundenbruchteile entschieden beim verheerenden Bombenattentat am Moskauer Flughafen über das Schicksal von Österreichern: Um 16 Uhr landete eine Maschine von Fly Niki mit 134 Passagieren aus Wien. Eine halbe Stunde später zündete eine Attentäterin in der Ankunftshalle des weitläufigen Domodedowo-Airports die 7-Kilo-Bombe, eine Höllenmaschine mit enormer Sprengkraft.
Die Druckwelle zerfetzt 35 Menschen
Die meisten Österreicher hatten zu diesem Zeitpunkt ihr Gepäck schon vom Förderband geholt, den Airport in Richtung Bus- und Taxistandplätze verlassen. Nicht so der 41-jährige Wiener Manager Nikolai Ivanov, ein gebürtiger Bulgare mit Doppelstaatsbürgerschaft. Gerade in dem Moment, als der Familienvater mit seinem Gepäck die Ankunftshalle betritt, geht die Bombe hoch. 35 Menschen werden von der mächtigen Druckwelle zerfetzt. Metallsplitter schießen als tödliche Pfeile durch die Halle. Rauch. Schreie. Chaos. Leichenberge. 180 Menschen werden verletzt, viele von ihnen schweben noch immer in Lebensgefahr.
Zeuge: "Wenig früher und es hätte mich erwischt“
Zu diesem Zeitpunkt steht der Burgenländer Reinhard Szekely, seit zehn Jahren technischer Direktor für einen heimischen Stahlkonzern in Moskau, am Gepäckförderband. Er wartet mit einem Kollegen auf Alu-Kisten. Vollgefüllt mit Plänen und Material für Baustellen in Russland. Es sind nur Momente. Aber sie retten dem Burgenländer und seinem Arbeitskollegen das Leben. Szekely sagt zu ÖSTERREICH: "Wäre ich nur ein wenig früher in die Ankunftshalle gegangen, es hätte mich sicher erwischt“. So hört er nur den mächtigen Knall. Sieht, wie es Teile aus der Hallendecke fetzt. Spürt die Druckwelle. Riecht Verbranntes. Später sieht der Burgenländer die Blutlachen, die Verletzten auf den Tragbahren. Die blutenden Menschen werden in verschiedenste Spitäler gebracht. Dienstag, um 17.45 Uhr, dann eine weitere schreckliche Nachricht: Auch eine bis dahin vermisste Österreicherin soll "mit größter Wahrscheinlichkeit“ unter den Todesopfern sein, berichtet das Außenministerium. Die Frau, vermutlich aus dem Raum Niederösterreich, galt seit Montag als verschollen.
Frau als Killerin : 7-Kilo-Bombe in der Tasche
Den Massenmord von Moskau hat eine Frau ausgelöst. Vermutlich eine der "Schwarzen Witwen“, die seit Jahren als Selbstmordattentäterinnen gegen Moskau kämpfen. Augenzeugen haben gesehen, wie eine schwarz gekleidete Frau in Begleitung eines Mannes ihre Tasche geöffnet hat. In diesem Moment explodierte die Bombe. Den Kopf des Mannes und Teile seines Körpers fanden die Sicherheitsleute später. Premier Wladimir Putin schwor am Tag eins nach dem Anschlag blutige Rache.
Österreicher schildert:
"Wie ich den Terror überlebte!"
ÖSTERREICH: Herr Szekely, Sie haben das Attentat in Moskau knapp überlebt. Schildern Sie die bangen Minuten.
Reinhard Szekely: Ich bin mit drei Arbeitskollegen am Montag mit der 11.30-Uhr-Maschine von Fly Niki nach Moskau geflogen. Wir sind planmäßig um 16 Uhr gelandet und durch die Passkontrolle. Um 16.30 Uhr waren wir unten in der Halle, wo wir das Gepäck entgegennehmen wollten. Und plötzlich hat es einen lauten Knall getan.
ÖSTERREICH: Was ist da genau passiert?
Szekely: Ich habe es zuerst nicht genau zuordnen können, worum es sich handelt – um eine Bombe oder Baulärm. Von der Decke sind jedenfalls Teile heruntergefallen und überall war Staub. Die Explosion war nur wenige Meter von uns entfernt, direkt hinter der Zollkontrolle. Es hat überall nach verbranntem Metall gerochen.
ÖSTERREICH: Was hat Sie gerettet?
Szekely: Uns ist nichts passiert, weil eine Trennwand dazwischen war. Hätte ich nicht mit meinem Kollegen auf das verspätete Gepäck gewartet und wäre früher in die Ankunftshalle hinaus, hätte es mich erwischt.
ÖSTERREICH: Wie konnten Sie den Flughafen dann verlassen?
Szekely: Plötzlich war alles nach vorne hin zum Ausgang versperrt. Niemand hat sich etwas gedacht, weil man in Russland öfters warten muss. Es war keine richtige Panik. Plötzlich ist ein Offizieller zu uns gekommen und hat uns gesagt, wir müssen über den Terminal B hinaus. Überall war Blut und ich sah, wie Verletzte auf Tragbahren abtransportiert wurden. Unser Chauffeur hat uns erst aufgeklärt, dass im Flughafen eine Bombe explodiert ist.
ÖSTERREICH: Was haben Sie in dem Moment gedacht?
Szekely: Ich dachte nur, wir müssen hier weg.
ÖSTERREICH: Als Sie in Sicherheit waren: Was war das Erste, das Sie gemacht haben?
Szekely: Als wir weg waren, habe ich sofort meine Ehefrau in Großpetersdorf angerufen. Ich habe ihr gesagt, du musst keine Angst haben, ich bin noch am Leben.
"Auch ich muss dort vorbei..."
Botschafterin Klestil-Löffler im ÖSTERREICH-Interview.
ÖSTERREICH: Frau Botschafterin, Sie kennen die Stelle am Flughafen Domodedowo, an der die 7-Kilo-Bombe explodierte?
Margot Klestil-Löffler: Ja, an dieser Stelle müssen alle internationalen Gäste durch. In der Ankunftshalle halten sich immer viele Menschen auf, der Airport hat ja eine riesige Frequenz. Vorne warten jene, die Freunde oder Geschäftspartner abholen wollen. Von der anderen Seite kommen jene, die gerade gelandet sind. Österreichische Airlines haben dort ihre Schalter. Unsere Botschaftsmitarbeiter gehen hier durch, auch ich muss an dieser Stelle vorbei, wenn ich nach Hause fliege oder ankomme. Es ist ein sehr beklemmendes Gefühl, zu wissen, was da passiert ist. Das macht betroffen.
ÖSTERREICH: Wie geht es mit dem Kampf gegen den Terror in Moskau weiter – Premierminister Wladimir Putin schwor ja blutige Rache?
Klestil-Löffler: Das Land ist geschockt, auch die Ausländer, die hier leben. Die Attentäter wollten den Terror in die Hauptstadt tragen und mit dem Anschlag auf dem Flughafen für weltweites Aufsehen sorgen. Das war ihr Ziel. Russland wird jetzt die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen, vor allem auf den Flughäfen. Derzeit wird analysiert, wie das Attentat überhaupt geschehen konnte.
ÖSTERREICH: Unter den Todesopfern sind auch Österreicher.
Klestil-Löffler: Ja, das ist leider richtig. Die russischen Behörden arbeiten sehr professionell, und wir sind in permanentem Kontakt mit ihnen. Bisher sind aber noch nicht alle Opfer hundertprozentig identifiziert worden. Auch bei den Verletztenlisten gibt es noch Ungereimtheiten.