Die Anklage wegen falsch verrechneten Stunden wackelt.
Im Wiener Straflandesgericht ist am Donnerstag der Prozess gegen eine Wiener Ärztin fortgesetzt worden, der schwerer gewerbsmäßiger Betrug zulasten der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) vorgeworfen wird. Sie soll zwischen 2002 und 2012 nicht erbrachte Leistungen verrechnet und damit zu Unrecht knapp 245.000 Euro bezogen haben. Die Anklage wurde allerdings erheblich erschüttert.
Falsche Abrechnung
Es geht vor allem um "ärztliche Gespräche mit Drogenkranken", einen Tarifposten, den die Angeklagte abgerechnet, aber nicht in einem Ausmaß in die Tat umgesetzt haben soll, dass dafür eine Abgeltung gerechtfertigt gewesen wäre. Etliche dieser Gespräche sollen sich auf ein "Wie geht'S Ihnen?" - "Gut" beschränkt und teilweise keine Minute gedauert haben.
Die Ärztin behandelt in ihrer Praxis vorwiegend Substitutions-Patienten, die sich in einem Drogenersatz-Programm befinden und von ihr die entsprechenden Mittel verschrieben bekommen. Sie steht auf dem Standpunkt, dass ihr bereits ein Blick genügt, um den Zustand ihrer Patienten zu erfassen. Dafür reiche die Beurteilung der Pupillenweitung, der Haut und des Gangs, mit dem sie sich fortbewegen.
Norbert Jachimowicz, Vorstand in der Wiener Ärztekammer und selbst Substitutionsarzt, pflichtete als Zeuge unter Wahrheitspflicht seiner Kollegin bei. Als die Ärztekammer sich seinerzeit mit der Krankenkasse auf einen eigenen Tarifposten für ein ärztliches Gespräch mit Drogenkranken geeinigt habe - derzeit beläuft sich dieser auf 26,4 Euro -, habe man ganz bewusst kein zeitliches Limit vereinbaren. "Das Gespräch kann auch sehr kurz sein. Eine Minute kann sicherlich ausreichend sein", betonte Jachimowicz.
Der gegenständliche Tarifposten sei geschaffen worden, um Ärzte zu honorieren, die sich auf "diese auffällige Klientel einlassen", erläuterte Jachimowicz. "Ein Arzt, der das macht, nimmt sehr viel auf sich und geht Risiken ein. Dafür war diese Abrechnung gedacht." Diese Regelung sei "20 Jahre gelebt worden, ohne dass jemand etwas beanstandet hätte", bemerkte der Zeuge. Sollte es Usus werden, dass die Kasse die Abrechnung von Substitutions-Ärzten zukünftig derart penibel hinterfragt, "wäre das nicht förderlich. Dann würden sich viele Ärzte überlegen, diese Therapie anzubieten."