Schwere Vorwürfe gegen Lorenz K.

Das sagt Anwalt des Austro-Terroristen

07.01.2018

Lorenz K. sei bestimmt nicht 'Staatsfeind Nummer 1', so der Rechtsanwalt.

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Die Staatsanwaltschaft Wien hat gegen einen mittlerweile 18-jährigen Burschen Anklage erhoben, der am 20. Jänner 2017 in Wien unter Terrorverdacht festgenommen wurde und sich seither in U-Haft befindet. Ihm wird unter anderem versuchte Bestimmung zum Mord und versuchte Bestimmung zur vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel vorgeworfen, beides im Sinne einer terroristischen Straftat.
 
Daneben lastet die Wiener Anklagebehörde dem 18-Jährigen Aufforderung zu bzw. Gutheißen von terroristischen Straftaten, Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung an. Die 55 Seiten starke Anklageschrift, die nun beim Landesgericht für Strafsachen eingebracht wurde, hat es in sich. 

Das sagt der Anwalt von Lorenz K.

Die Staatsanwaltschaft fahre ein volles Programm, aber Lorenz K. sei "sicher nicht der Staatsfeind Nummer eins", so Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Blaschitz. Der 18-Jährige bestreitet die ihm vorgeworfene Anstiftung zum Mord. Von den konkreten Plänen des Zwölfjährigen habe er nichts gewusst. Auch zu den weiteren zentralen Anklagepunkten bekennt sich der Jugendliche "nicht schuldig", betonte der Anwalt des Terrorverdächtigen. "Wir werden alles bestreiten außer die Mitgliedschaft beim IS." Lorenz K. sei "sicher nicht der Staatsfeind Nummer eins".
 
Die Anklageschrift enthält teilweise Punkte, die bisher öffentlich nicht bekannt waren. So soll der 18-Jährige, nachdem er sich in einem Treueschwur zu den Zielen der radikal-islamistischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) bekannt hatte, ab Sommer 2016 über WhatsApp einen zwölfjährigen, noch strafunmündigen deutschen Buben, mit dem er sich regelmäßig austauschte, dahin gehend beeinflusst haben, dass dieser einen Selbstmordanschlag in Ludwigshafen durchführen wollte. Dieser scheiterte nur deshalb, weil es dem Zwölfjährigen nicht gelang, einen selbst gebastelten Sprengsatz zu zünden.

"Terroristen-Chefkoch"

Der - noch nicht rechtskräftigen - Anklage zufolge soll der 18-Jährige dem Zwölfjährigen nicht nur eine Anleitung zum Herstellen einer Bombe in Form eines pdf-Files geschickt haben, wobei er sich als "Terroristen-Chefkoch" bezeichnete. Er soll dem Strafunmündigen auch vorgegeben haben, den Anschlag auf einem Weihnachtsmarkt und nicht - wie der Bub ursprünglich beabsichtigt hatte - in einer Kirche zu verüben. Laut Anklage marschierte der Zwölfjährige daraufhin am 26. November 2016 mit einer selbst fabrizierten, in einer Umhängetasche verborgenen Bombe auf einen rund 900 Meter vom Ludwigshafener Rathaus-Center entfernt gelegenen Weihnachtsmarkt. Bis zuletzt soll ihn sein Wiener Gesprächspartner bestärkt haben. "Zieh 'ne fette Jacke an... Dann geh hinter eine Hütte und zünde an und lauf vor", hieß es etwa in einer WhatsApp-Nachricht an den Buben.
 
Weil es nicht krachte, deponierte der Zwölfjährige den Sprengsatz hinter einem Gebüsch, wo er am 3. Dezember 2016 von der Polizei gefunden wurde. Die sichergestellte Nagelbombe bestand aus einem mit Klebeband umwickelten Gewürzglas, an dem an der Außenseite 41 Nägel befestigt waren. Im Inneren befanden sich weitere elf Nägel. In einem mittig vorhandenen Loch am Deckel des Gewürzglases war eine Wunderkerze fixiert, die als eine Art Zündschnur fungieren sollte. Die Bombe wurde von einem Gutachter untersucht, wobei ihre Funktionstüchtigkeit mittels eines Nachbaus getestet wurde. Dabei konnte festgestellt werden, "dass es sich um eine funktionsfähige Brandvorrichtung handelte, die abgesehen von der durch die Sprengung verursachten Schäden zudem ein Entzünden von Kleidungsstücken von in der Nähe befindlichen Personen befürchten lässt", wie der Anklageschrift zu entnehmen ist. Der Zwölfjährige kann aufgrund seines kindlichen Alters strafrechtlich nicht zu Verantwortung gezogen werden.

Radikalisierung im Gefängnis

Der 18-Jährige, dessen Eltern aus Albanien stammen - sie besitzen seit längerem die österreichische Staatsbürgerschaft und sind eigenen Angaben zufolge Atheisten - war ohne religiöse Berührungspunkte aufgewachsen. Ausgerechnet während eines Gefängnisaufenthalts - er wurde als 16-Jähriger wegen schweren Raubes zu 29 Monaten teilbedingter Haft verurteilt - fand er in der Justizanstalt Wiener Neustadt zum Islam. Er konvertierte, nannte sich fortan "Sabur Ibn Gharib" und besuchte nach seiner Haftentlassung regelmäßig verschiedene Moscheen, wo er sich in kurzer Zeit radikalisierte. Besonders der Prediger Mirsad O. alias "Ebu Tejma" - der Jihadist, der Männer für den IS rekrutierte, wurde im Juli 2016 in Graz erstinstanzlich zu 20 Jahren Haft verurteilt - hatte es dem jungen, beschäftigungslosen Wiener angetan. Schließlich soll in ihm die Absicht gereift sein, gemeinsam mit einer jungen Deutschen, die er am 1. Dezember 2016 in Neuss nach islamischem Recht heiratete, einen Selbstmordanschlag durchzuführen.
 
Dazu soll er sich Baupläne für eine Bombe aus dem Internet besorgt und mit einem Bekannten in Deutschland eine "Testbombe" hergestellt haben. Da der Test erfolgreich verlief, wollten die beiden jungen Männer laut Anklage ein Attentat in Deutschland durchführen. Der 18-Jährige wurde allerdings am 9. Dezember 2016 in Aachen vorübergehend festgenommen und musste nach Österreich zurückkehren, wo er - so jedenfalls die Einschätzung der Staatsanwaltschaft Wien - an seinen terroristischen Absichten festgehalten haben soll. "Obwohl die Pläne des Angeklagten zur Verübung eines Anschlages in Deutschland vorerst vereitelt worden waren, hielt er am grundsätzlichen Vorhaben zur Begehung eines solchen fest, verlagerte aber seine diesbezügliche Planung nun nach Österreich", heißt es in der Anklageschrift. Aufgrund von Hinweisen der deutschen Behörden, die vor dem 18-Jährigen warnten, wurde dieser schließlich in der österreichischen Bundeshauptstadt fest-und in U-Haft genommen.

15 Jahre Haft drohen

Im Ermittlungsverfahren hat der Bursch versichert, er habe abgesehen von der Testbombe keinen weiteren Sprengsatz hergestellt. Seine Anschlagspläne habe er sieben bis acht Wochen vor seiner Festnahme aufgegeben, dies aus "Feigheit" seinen Gesinnungsgenossen gegenüber aber nicht zugegeben. Ob diese Verantwortung glaubwürdig ist, müssen Geschworene beurteilen, vor denen sich der Angeklagte vermutlich im Frühjahr zu verantworten haben wird. Dem dann 19-Jährigen - er feiert am 18. Februar Geburtstag - drohen im Fall eines anklagekonformen Schuldspruchs bis zu 15 Jahre Haft.
 
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