Prozess

Eltern entführten Sohn aus Jugendamt

06.11.2014

Urteil (nicht rechtskräftig): 100 Stunden gemeinnützige Arbeit - für beide.

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© TZ ÖSTERREICH/Artner
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Weil ein Elternpaar den eigenen Sohn aus der Obhut des Jugendamts entführt hatte, mussten sich die beiden am Donnerstag am Wiener Landesgericht wegen Kindesentziehung verantworten. Richter Stefan Romstorfer hatte ein Einsehen mit den Angeklagten und entschied auf Diversion, was für diese je 100 Stunden gemeinnützige Arbeit bedeutet. Die Staatsanwaltschaft hat dem aber noch nicht zugestimmt.

Alkoholprobleme
Das Paar, 45 und 33 Jahre, lebte in Wien in nicht ganz einfachen sozialen Verhältnissen. Der Frau war aufgrund von Alkoholproblemen bereits die Tochter aus einer anderen Beziehung abgenommen worden. Das Mädchen verbrachte nur die Wochenenden bei der Mutter. An einem solchen im Juni dieses ließen sie die Zwölfjährige mit dem gemeinsamen, damals acht Monate alten, Buben nachts allein zu Hause und gerieten einander betrunken an einer Tankstelle in die Haare. In die Auseinandersetzung griff die Polizei ein, der 45-Jährige landete nach einer kurzen Verfolgungsjagd für einen Tag hinter Gittern.

Am Tag danach wurde der Familie auch das Baby abgenommen. Eine Woche später durften sie das Baby erstmals wieder sehen. Angeblich wäre das Kind ganz apathisch gewesen, hätte Beulen am Hinterkopf und roten Flecken am ganzen Körper aufgewiesen und wäre durch die Windel regelrecht eingeschnürt gewesen. Alle diese Darstellungen wurden von der erfahrenen Krisen-Pflegemutter sowie anderen Sozialarbeitern in der Verhandlung zurückgewiesen. In "Panik" schnappten sich die Eltern am 26. Juni den kleinen Adriano und begaben sich auf eine Irrfahrt durch Deutschland, Tschechien, Frankreich, Ungarn, etc. bis die Odyssee nach einer Handyortung am 1. September in der Steiermark endete.

Tränen-Prozess
Tränenreich schilderten die Eltern vor dem Richter, wie entsetzt sie über den Zustand des Kindes gewesen wären - und dass sie völlig unüberlegt gehandelt hätten. Den zweiten Anklagepunkt, dass sie ihre Tochter bewegt hätten, aus der Wohngemeinschaft zu verschwinden und mit dem Zug zur Familie des Angeklagten nach Salzburg zu fahren, leugneten sie zunächst.

An diesem fehlenden Geständnis schien zunächst auch die von der Verteidigung angestrebte Diversion zu scheitern. Nach einer kurzen Besprechung mit dem Anwalt vor dem Gerichtssaal gaben sie jedoch beides zu, worauf der Richter für diesen milden Ausgang entschied. Die Staatsanwältin, die sich zunächst aus generalpräventiven Gründen gegen eine Diversion ausgesprochen hatte, schien sich doch damit abfinden zu können. Allerdings wird darüber nicht sie, sondern der aktenführende Staatsanwalt entscheiden. Bei einer Beeinspruchung muss das Oberlandesgericht feststellen, ob es dabei bleibt oder ob das Verfahren doch noch fortgesetzt wird.
 

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