Richterin: Karitatives Motiv "kein achtenswerter Beweggrund".
Im bis auf den letzten Platz besetzten Schwurgerichtssaal - die Verhandlung war infolge des regen Interesses kurzfristig verlegt worden - ist am Dienstag im Wiener Straflandesgericht der Prozess gegen zwei Räuber abgehalten worden, die in der Nacht auf den 23. Dezember 2013 einen Geldtransporter in Wien-Alsergrund überfallen hatten.
Die beiden Räuber wurden zu jeweils acht Jahren Haft verurteilt. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Die Verteidiger meldeten Rechtsmittel an bzw. erbaten Bedenkzeit. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab.
"Wir glauben Ihnen das Motiv, dass Sie Kindern in Afrika helfen wollten", führte die vorsitzende Richterin Claudia Zöllner in der Urteilsbegründung aus. Dies sei "nichtsdestotrotz kein achtenswerter Beweggrund" und daher bei der Strafbemessung nicht als mildernd berücksichtigt worden. Mildernd wurden Gabriel E. (49) und Tamara S. (35) ihre bisherige Unbescholtenheit, die geständige Verantwortung und die teilweise Schadensgutmachung angerechnet. Erschwerend war demgegenüber "die lange, professionelle Vorbereitungszeit".
Gabriel E., der früher als Polizist bei der WEGA gearbeitet und sich nach einer Schussverletzung als Sicherheitsberater selbstständig gemacht hatte, hatte in seiner ausführlichen Einvernahme geschildert, wie in ihm die Überzeugung gereift war, den hungernden Kindern in Afrika helfen zu müssen. Er habe ein Dorf für Waisen und Halbwaisen geplant, das "Blue Sky Village" heißen sollte: "Ich war von meinem Wunsch, meinem Traum besessen, Kindern zu helfen, dass ich nicht auf meine Familie Rücksicht genommen habe."
Die Jahre zwischen 2006 und 2010 hatte der Ex-Polizist aus beruflichen Gründen großteils in Gabun und Äquatorialguinea verbracht. Die Armut, die er dort wahrnahm, setzte ihm zu: "Die Menschen dort, die haben nichts. Die leben von einem Topf. Die haben kein Wasser." Er unterstützte Bedürftige nach Kräften, doch seine Mittel waren nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. "Bettelbriefe", die er an reiche und vermögende Leute verschickte, blieben unbeantwortet. Konzepte, die er verfasste, um Hilfsprojekte auf die Füße zu stellen, interessierten niemanden.
Als er 2010 nach Österreich zurückkehrte, wollte er selbst initiativ werden. In einer Kirche, die er regelmäßig besuchte, lernte er Tamara S. näher kennen, die damals noch bei dem Sicherheitsunternehmen "Loomis" arbeitete, das unter anderem die Befüllung von Bankomaten mit Bargeld abwickelt. Er sprach sie eines Tages an, ob sie bei einem Raubüberfall mitmachen wolle, um "Blue Sky Village" realisieren zu können.
"Sie hat eine Woche nachgedacht und zugesagt", gab der 49-Jährige zu Protokoll. Dabei habe die Frau nicht einmal gewusst, wo Äquatorialguinea liegt: "Sie hat geglaubt, das ist in Südamerika."
Wie der Schöffensenat am Ende feststellte, wäre der Coup ohne Tamara S. nicht durchzuziehen gewesen. "Sie hat sich reingekniet und in die Vorbereitung intensiv eingebracht", hielt die Richterin fest. Die ehemalige "Loomis"-Mitarbeiterin, die im Mai 2013 einvernehmlich die Firma verlassen hatte, kannte die Sicherheitssysteme und konnte sich auch nach ihrem Ausscheiden die Fahrrouten der Geldtransporter besorgen. Sie marschierte einfach auf das Firmengelände. Ihr Zutrittscode war weiter gültig, was sie dazu nützte, sich regelmäßig die aktuellen Routenpläne zu besorgen und diese in einem nahe gelegenen Geschäft zu kopieren. Danach legte sie diese wieder zurück, wobei Gabriel E. Schmiere stand und sicherstellte, dass seine Komplizin nicht beobachtet wurde.
Tamara S. wusste auch, wie die Geldkoffer, in denen die Euro-Scheine zu den Bankomaten gebracht wurden, zu öffnen waren, ohne dass Alarm ausgelöst wurde. Ihr Motiv, bei der Sache mitzumachen, dürfte Kummer nach dem Ende einer Liebesbeziehung mit einem verheirateten Kollegen bei "Loomis" und die Aussicht gewesen sein, in Afrika ein neues Leben beginnen zu können. Gabriel E. hatte ihr versprochen, sie bei "Blue Sky Village" zu beschäftigen.
"Ich habe mich damals in einem tiefen Loch befunden", so die 35-Jährige in ihrer Beschuldigteneinvernahme. Mit Gabriel E. habe sie alles besprechen können: "Er ist nur da gewesen und es ist mir besser gegangen. Er war für mich wie ein Engel. Ich hab' ihm mein Leben anvertraut. Ich hab' gewusst, dass mir nichts passieren kann."
Laut Anklage hatten die beiden, die nicht liiert waren, am Tag vor Weihnachten auf der Nußdorfer Straße nach wochenlanger Planung einen Geldtransporter abgepasst. Tamara S. kannte die Beifahrerin persönlich und wusste, dass diese nicht bewaffnet war. Sie bedrohten den Fahrer und die Beifahrerin mit einer Pistole und einer Softgun, als diese den in einem nicht videoüberwachten Lager eines Installations-Betriebes eingerichteten Bankomaten auffüllen wollten. Sie fesselten die Angestellten, stülpten ihnen Wollhauben übers Gesicht und zwangen sie, sich hinzulegen, um sich die Koffer mit den Banknoten anzueignen. Die Opfer standen ihren Angaben zufolge Todesängste aus.
Mit den Millionen fuhr Gabriel E. nach dem erfolgreichen Raub nach Kärnten, wo er die Geldkoffer am Dachboden seiner Schwiegereltern versteckte. Die 200- und 500 Euro-Noten verbrannte er, weil er befürchtete, dass diese registriert worden waren. Nach seiner Festnahme konnte bis auf 110.00 Euro die gesamte Beute sichergestellt werden.
Auf die Spur des Duos war man gekommen, weil die beiden nicht beachtet hatten, dass eine im Bankomaten installierte Kamera den gesamten Überfall mitgefilmt hatte. Auf den Bildern war Tamara S. teilweise auch ohne Maske - die Täter hatten sich mit Sturmhauben vermummt - zu sehen. Sie wurde vom "Loomis"-Sicherheitschef auf Aufnahmen, die den Abtransport der Geldkoffer zeigten, erkannt.