E-Paper Banner

Bandenkriminalität

Gescheiterter Mafia-Mord: Clan-Mitglied freigesprochen

Teilen

Ein 29-jähriger mutmaßlicher Mafioso, der dem serbisch-montenegrinischen Škaljari-Clan angehören soll, ist am Dienstagabend am Wiener Landesgericht vom Vorwurf der Beteiligung am versuchten Mord freigesprochen worden. 

Sechs von acht Geschworenen gelangten zur Ansicht, dass ein laut Anklage geplanter Auftragsmord, der im Spätwinter 2020 in Wien-Ottakring über die Bühne hätte gehen sollen und der dem verfeindeten Kavač-Clan galt, nicht das Versuchsstadium erreicht hatte. 

Folglich wurde der Angeklagte lediglich wegen krimineller Vereinigung verurteilt. Dass er dem Škaljari-Clan zuzurechnen ist und an dem verfahrensgegenständlichen mörderischen Vorhaben insofern beteiligt war, als er Informationen bereitstellte und Observationen tätigte, bejahten die Geschworenen einstimmig. Bei einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren fasste der Montenegriner die dafür vorgesehene Höchststrafe aus. Eine bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht wurde ihm nicht gewährt.

Mafia Prozess Wien
© oe24
× Mafia Prozess Wien

Urteil nicht rechtskräftig

Bei der Strafbemessung wurde "die unglaublich hohe kriminelle Energie" erschwerend gewertet, wie der vorsitzende Richter ausführte. Das Mordkomplott, das nach mehrheitlicher Ansicht der Geschworenen bereits im Ansatz scheiterte, sei detailliert geplant gewesen. Man habe sogar "Auftragskiller aus dem Ausland reinkommen lassen", betonte der Richter. Daher habe man die Maximalstrafe für die Beteiligung des 29-Jährigen an der kriminellen Organisation verhängt.

Der Angeklagte folgte der Urteilsverkündung mit stoischer Ruhe und blieb auch danach nach außen hin ausgesprochen gelassen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der 29-Jährige akzeptierte die dreijährige unbedingte Freiheitsstrafe, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.

Prozess unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen

Der Prozess hatte unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen stattgefunden, sechs bewaffnete und maskierte Kräfte der Justizwache-Einsatzgruppe waren während der gesamten Verhandlung im Gerichtssaal postiert. Der Staatsanwalt hatte dem Mann vorgeworfen, von 8. bis 11. März 2020 in Pläne eingebunden gewesen zu sein, ein in Wien aufhältiges mutmaßliches Mitglied des Kavač-Clans zu beseitigen. "Er ist einzig und allein aus diesem Grund aus Montenegro angereist", sagte der Staatsanwalt zu Beginn der Verhandlung. Die Zugehörigkeit des Angeklagten zum Kavač-Clan sei erwiesen, gegen den 29-Jährigen sei in Montenegro ein Verfahren im Zusammenhang mit schwerer Bandenkriminalität anhängig.

Konkret soll sich der 29-Jährige unter anderem am beabsichtigten Tatort an Observationen beteiligt und das Aussehen, die Kleidung und die Begleiter der Zielperson an zwei aus Kolumbien eingeflogene Auftragskiller weitergegeben haben, die den gegnerischen Kriminellen erschießen hätten sollen. Zuvor hätte sich ein Bombenanschlag auf das Auto des 57-Jährigen "aufgrund technischer Probleme" nicht umsetzen lassen, wie der Staatsanwalt sagte. Die Zündung des Sprengsatzes funktionierte am 22. Februar 2020 nicht - an diesem Tötungsversuch war der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft nicht beteiligt.

Mordkomplott scheiterte laut Anklage an Kommunikationsproblemen

Das Vorhaben, den 57-Jährigen 17 Tage später in bzw. vor einem Lokal in der Koppstraße erschießen zu lassen, scheiterte laut Anklage dann an der unzureichenden Weitergabe des genauen Standorts der Zielperson und mangelnder bzw. verspäteter Kommunikation. Die beiden aus Kolumbien eingeflogenen Auftragsmörder sprachen kein Serbisch, die Gegenseite kein Spanisch.

Wie der Staatsanwalt sagte, waren in die Tötungspläne zumindest zehn Vertreter des Škaljari-Clans eingebunden. Aufgrund einer "schicksalhaften Fügung" sei der 57-Jährige mit dem Leben davongekommen. Die über Chats geführten Übersetzungen vom Serbischen ins Spanische hätten nämlich zu lange gedauert. Als die Kolumbianer endlich instruiert waren, hätte der 57-Jährige das Lokal schon wieder verlassen gehabt, stellte der Staatsanwalt fest.

Angeklagter verweigerte Aussage

"Ich bin nicht schuldig zu dem, was mir angelastet wird", versicherte der Angeklagte dem Schwurgericht. Zu weiteren Angaben war er nicht bereit. Er machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Er sei nicht bereit, Fragen des Gerichts und des Staatsanwalts zu beantworten, hielt sein Verteidiger fest.

Der Angeklagte wurde von den Auswertungen vermeintlich abhörsicherer Kryptohandys belastet, mit denen der mafiöse Škaljari-Clan kommuniziert hatte und die von ausländischen Behörden entschlüsselt werden konnten. Diese Kommunikation wurde dem heimischen Bundeskriminalamt zur Verfügung gestellt. Der Verteidiger sprach sich gegen die Verwertung dieser Daten aus, auf denen die Anklage ausschließlich fuße. Diese seien "nicht verwertbar", meinte der Anwalt, "der Zweck heiligt nicht die Mittel." Abgesehen davon habe das inkriminierte Geschehen "gar nicht das Versuchsstadium erreicht". Es sei nichts passiert, was für eine allfällige Verurteilung reiche: "Das Beweisverfahren wird zeigen, dass es nicht genug Anhaltspunkte gibt und mein Mandant freizusprechen sein wird."

Gericht erklärte Verwendung von Chats für zulässig

Der aus drei Berufsrichtern bestehende Senat erklärte nach längerer Beratung die gerichtliche Verwertung der Chats für zulässig. Ein Antrag des Verteidigers, diese für die Wahrheitsfindung nicht heranzuziehen, wurde abgewiesen.

Der 29-Jährige wurde, nachdem die österreichischen Strafverfolgungsbehörden Fahndungsmaßnahmen in die Wege geleitet hatten, im Jänner 2024 an der Grenze zu Bosnien festgenommen und in weiterer Folge ausgeliefert. Seit Mai befand er sich in Wien in U-Haft. Er verweigerte in Österreich jegliche Angaben zu den ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen.

Erstmals war er im Zusammenhang mit dem in Wien gescheiterten Mordkomplott bereits im Sommer 2020 ins Gefängnis gekommen, und zwar in seiner montenegrinischen Heimat. Dort gab er an, ihn belastende Chats seien bloß "ein Spaß am Telefon" gewesen, er habe "niemanden umbringen" wollen.

Auftraggeber des Komplotts laut Staatsanwalt erschossen

Die beiden Auftraggeber des Komplotts wurden dem Staatsanwalt zufolge im Oktober bzw. November 2020 in der Türkei sowie in Montenegro entführt und erschossen. Zuvor seien sie "von der anderen Täter-Gruppe grausam gefoltert" worden, berichtete der Staatsanwalt. Er verwies auf Fotos der entstellten Leichen, die man auf ausgewerteten Kryptohandys entdeckt hätte und die sich im Gerichtsakt befänden.

Einer der zwei kolumbianischen Auftragsmörder verstarb laut Interpol im August 2023 an einer Pestizid-Vergiftung. Der operative Leiter des Komplotts wurde im Februar 2024 in der montenegrinischen Stadt Bar festgenommen. Gegen ihn liegt eine österreichische Festnahmeanordnung vor. Ob er an die Wiener Justiz ausgeliefert wird, müssen die montenegrinischen Behörden entscheiden.

Zielscheibe des Komplotts im Zeugenstand

Der 57-Jährige, der laut Anklage getötet hätte werden sollen, erwiderte auf die Frage des vorsitzenden Richters, wie er es sich erkläre, dass man ihm nach dem Leben getrachtet habe: "Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Das müssen Sie ihn (gemeint: den Angeklagten, Anm.) fragen." Auf die weitere Frage, ob es etwas mit einem Clan zu tun habe, der "verbrecherischen Sichtgifthandel" betreibe, meinte der Zeuge: "Ich bin Vater von sechs Kindern. Ich habe in meinem Leben nie etwas mit einer kriminellen Organisation zu tun gehabt." Er habe gegenüber dem Škaljari-Clan "natürlich eine negative Einstellung".

Weiters betonte der 57-Jährige: "Ich weiß nicht, warum mir jemand etwas machen sollte. Ich und meine Familie haben nichts gemacht." Er sei daher "am Anfang von einem Missverständnis ausgegangen", als man ihm zur Kenntnis brachte, dass er getötet hätte werden sollen. Personenschutz für sich und seine Familie habe er aber abgelehnt.

Als zweites mögliches Ziel soll ein 47-Jähriger gegolten haben, der sich das am Zeugenstuhl auch nicht erklären konnte: "Ich bin seit 20 Jahren hier (gemeint: in Wien, Anm.). Ich habe mit dieser Sache gar nichts zu tun." Als das Gericht nachhakte und wissen wollte, was er über den Škaljari- bzw. Kavač-Clan wisse, erwiderte der Mann: "Ich wäre Polizist, wenn ich das wüsste. Ich kenn mich aus mit Cevapcici."

BKA-Ermittler: "Gegenschlag gegen Figlmüller-Mord"

Ein Vertreter des Bundeskriminalamts legte den Geschworenen die Hintergründe der Bluttat dar. Die zwei verfeindeten Clans würden aus den jeweils namensgebenden Orten im Umland der montenegrinischen Stadt Kotor stammen und seien seit über zehn Jahren einander in inniger Feindschaft verbunden. 80 Morde würden europaweit auf das Konto der Clans gehen. Die verfahrensgegenständlichen Abläufe bezeichnete der Ermittler als "Gegenschlag gegen den Figlmüller-Mord". Am 21. Dezember 2018 war der 31-jährige Vladimir R. vor dem Wiener Traditionsgasthaus Figlmüller in der Wollzeile per Kopfschuss getötet worden, sein jüngerer Begleiter wurde schwer verletzt. Die beiden Opfer gehörten dem Kavač-Clan an.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten