Tat seit November 2013 geplant: Es ging um illegale Dieselimporte.
Knapp acht Monate nach dem sogenannten Handgranatenmord hat die Staatsanwaltschaft Wien bereits eine Anklage wegen Doppelmordes eingebracht, die am Mittwoch den Verteidigern zugestellt wurde. Der 26 Seiten dicken Anklageschrift zufolge soll der Hauptangeklagte Kristijan H. das Verbrechen seit November 2013 geplant haben. Sein Motiv: Angst, er könnte als Steuerbetrüger "auffliegen".
Der Transportunternehmer Zlatko N. (45) und der zeitweise von ihm als Fahrer beschäftigte Horst Waldemar W. (57) waren in der Nacht auf den 11. Jänner 2014 auf aufsehenerregende Weise in der Odoakergasse in Wien-Ottakring zu Tode befördert worden. Die beiden hatten mit dem 35-jährigen Kristijan H. einträgliche Geschäfte mit nach Österreich importiertem Diesel gemacht, der ohne Abfuhr der Mineralölsteuer im Sommer 2013 direkt an Tankstellen verkauft wurde.
Nicht nur Unstimmigkeiten über die Gewinnaufteilung, bei der sich Zlatko N. und Horst Waldemar W. übers Ohr gehauen fühlten, sollen die beiden das Leben gekostet haben. Zwar bedrohten sie laut Anklage Kristijan H. und forderten mehr Geld. Letztlich ausschlaggebend für das Mordkomplott soll jedoch gewesen sein, dass der 57-Jährige gebürtige Deutsche entgegen einer Abmachung nicht das Land verlassen wollte.
Scheinfirma für illegale Dieselimporte
Zum Schein war auf den Namen von W. eine Firma gegründet worden, über die im großen Stil der illegale Treibstoff-Import - insgesamt 1,53 Millionen Liter Diesel - abgewickelt wurde. Der "Strohmann" machte jedoch trotz einer entsprechenden Zusicherung keine Anstalten, unterzutauchen und von der Bildfläche zu verschwinden. Kristijan H. soll aufgrund dessen befürchtet haben, dass die illegalen Tricksereien - allein die hinterzogene Mineralölsteuer machte rund 613.000 Euro aus - ans Tageslicht kommen und W. bei einer Befragung durch die Strafverfolgungsbehörden seine Hintermänner preisgeben könnte.
Zlatko N. machte Kristijan H. wiederum zum Vorwurf, seinen Fahrer nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Er entschloss sich, auch den 45-Jährigen zu beseitigen. "Erste Überlegungen, sich auf W. zu beschränken, verwarf er aus Sorge über die möglichen Reaktionen von N. In seinem Kalkül schätzte er die Wahrscheinlichkeit, für die Begehung der Morde zur Verantwortung gezogen zu werden, geringer ein als die Entdeckungswahrscheinlichkeit für die Finanzvergehen", schreibt Staatsanwalt Bien in seiner Anklageschrift.
Darüber hinaus soll der 35-Jährige Zlatko N. wenige Sekunden, bevor er ihn mit drei Schüssen aus einem Revolver der Marke Smith &Wesson, Kaliber .38 Spezial tötete, noch 20.000 Euro abgenommen haben. Er hatte den an sich in Mondsee wohnhaften Unternehmer mit der Vorgabe nach Wien gelockt, diesem ein lukratives Mineralölgeschäft mit einem Serben oder Russen vermitteln zu können. Er gab vor, der 45-Jährige könne um 20.000 Euro an einen Tanklastzug mit 30.000 Liter Diesel gelangen, wobei der Weiterverkauf mindestens 30.000 Euro einbringen werde.
Zlatko N. soll daraufhin im Freundes- und Bekanntenkreis Geld zusammengekratzt und sich mit den eingesammelten 20.000 Euro und seinem Fahrer Horst Waldemar W. in die Bundeshauptstadt begeben haben. Am Treffpunkt in der Odoakergasse gingen die beiden in eine tödliche Falle. Kristijan H. stellte ihnen seinen Bekannten Dejan V. (30) unter dem Namen "Eddy" als vermeintlichen Diesel-Verkäufer vor. Nachdem Zlakto N. das Bargeld aus einem Kuvert genommen und übergeben hatte, setzte sich Kristijan H. in dessen Fahrzeug und gab der Anklage zufolge vom Rücksitz aus einen Schuss in den Kopf und zwei in die Brust des 45-Jährigen ab. Dieser war auf der Stelle tot.
Revolver hatte Ladehemmung
Während Dejan V. auf dem Gehsteig die Banknoten zählte, richtete Kristijan H. den Revolver auf Horst Waldemar W. Die Waffe hatte allerdings Ladehemmung, worauf er laut Staatsanwalt eine Handgranate an sich nahm, die ihm sein Vater besorgt hatte, den Sicherungssplint herauszog und dem auf dem Beifahrersitz befindlichen 57-Jährigen vor die Füße warf. Bevor es zur Explosion kam, hatte der Hauptangeklagte rechtzeitig das Fahrzeug wieder verlassen.
Die Detonation der Granate hatte keine unmittelbare tödliche Wirkung, obwohl sie W. die linke Hand zur Gänze zerfetzte und Brust-und Bauchhöhle eröffnete. "W. war kurzfristig sogar noch bei Bewusstsein und rief nach Hilfe, ehe er in Ohnmacht fiel", ist der Anklageschrift zu entnehmen. Der Tod erfolgte erst im Rettungsauto infolge eines Einrisses der Körperhauptschlagader.
Neben Kristijan H. wurde auch Dejan V. zur Anklage gebracht, dem angekreidet wird, an der unmittelbaren Tatausführung in Kenntnis des mörderischen Plans beteiligt gewesen zu sein. Außerdem soll er den Revolver sowie eine Rohrbombe besorgt haben, mit der das Verbrechen ursprünglich hätte ausgeführt werden sollen, wovon Kristijan H. dann allerdings nach Recherchen im Internet Abstand nahm, weil er befürchtete, die Explosion könnte Unbeteiligte verletzen.
Angeklagt wurde auch die ältere Schwester des mutmaßlichen Haupttäters, der sich im Ermittlungsverfahren im Unterschied zu den beiden Mitangeklagten grundsätzlich geständig gezeigt hat. Die 43-jährige Renata H. soll in die blutigen Pläne zur Gänze eingeweiht gewesen sein, für Dejan V. ein Hotelzimmer angemietet, ihre eigene Wohnung als Lager für diverse zur Durchführung der Bluttat angeschaffte Utensilien zur Verfügung sowie ihren Bruder und dessen Helfer zum Tatort chauffiert und von dort wieder weggebracht haben.