Die vom mutmaßlichen Haupttäter angekündigte "Wahrheit" wurde zur Farce.
Mit einem weiteren Geständnis ist der Prozess gegen neun Flüchtlinge aus dem Irak, die in der Nacht auf den 1. Jänner 2016 eine junge Deutsche in eine Wohnung gebracht und sich dort allesamt an ihr vergangen haben sollen, am Dienstag fortgesetzt worden. Allerdings entpuppte sich die mittels Brief an Richterin Petra Poschalko angekündigte "Wahrheit", eher als Ausflucht des Letztangeklagten.
Der 33-Jährige, der bisher nicht geständig war und angab, sich nicht in der Tatwohnung, sondern im Zug nach Linz befunden zu haben, kündigte "im Namen Gottes" an, ein Geständnis abzulegen. "Ich bitte darum, mir eine zweite Gelegenheit zu geben, um Ihnen die komplette Wahrheit zu erzählen", kündigte der Beschuldigte in dem Brief in arabischer Sprache an, der vom Gericht laut vorgelesen wurde.
Silvester in Wien
Er erzählte, dass er bereits am 29. Dezember 2015 nach Wien gekommen sei, um mit Freunden in Wien Silvester zu feiern. Nach reichlichem Alkoholkonsum fuhren sie in die Innenstadt, wo sie auf die 28-jährige Deutsche trafen. Die junge Frau hockte vor einem City-Lokal am Boden, der 33-Jährige bot ihr aufgrund der eisigen Temperaturen seine Jacke an. "Wir haben gefragt, wie sie heißt und woher sie kommt. Danach haben wir Selfies mit ihr gemacht, weil wir davon ausgegangen sind, dass wir uns bald wieder von ihr verabschieden", erzählte der Iraker. Sein 31-jähriger Freund habe dann vorgeschlagen, die hilflose Frau mit in die Wohnung eines Landsmannes in der Rustenschacherallee in der Leopoldstadt zu bringen.
"Sie ist dann mit uns mitgegangen", erzählte der 33-Jährige. "Ich bin davon ausgegangen, dass sie Silvester mit uns in der Wohnung feiern will", erklärte der Angeklagte. "Haben Sie sich geküsst", fragte Richterin Poschalko den verheirateten Mann. "Ja", antwortete dieser. "Warum", wollte die Schöffenvorsitzende wissen. "Ich war betrunken, sie war betrunken", die junge Frau hätte alle in der Gruppe geküsst, behauptete der 33-Jährige. Der chemische Sachverständige Günther Gmeiner hat die Blut- und Urinproben des Opfers, die fünf Stunden nach der Tat entnommen worden sind, untersucht und kam auf einen Wert von 1,9 Promille. Das bedeutet, dass die Frau zum Tatzeitpunkt 2,1 bis 2,5 Promille Alkohol im Blut hatte. Das ist eine "deutliche Alkoholisierung", rechnete Gmeiner in seinen Ausführungen vor.
Auf dem Weg in die Wohnung haben die Vier laut dem 33-jährigen Angeklagten darüber gesprochen, dass man mit dem Mädchen Sex haben wollte, "und zwar jeweils hintereinander". In der Wohnung angekommen, wo sich fünf weitere Männer aufhielten, sei der 33-Jährige als erstes mit der Deutschen in das kleine Nebenzimmer gegangen. Doch Geschlechtsverkehr will er mit der jungen Frau nicht vollzogen haben. "Sie hat Deutsch gesprochen und ich habe nicht verstanden, was sie sagt, deshalb bin ich nach zwei Minuten wieder raus." Wer dann nach ihm ins Zimmer ging und was die Männer mit der Frau gemacht haben, davon habe er nichts mitbekommen, weil er zunächst seine Familie telefonisch erreichen wollte und danach fast zwei Stunden mit seinem Handy gespielt haben will.
Sperma-Spuren
DNA-Expertin Christina Stein stellte allerdings fest, dass die am Opfer bzw. an seiner Kleidung sichergestellten Spuren zum DNA-Profil von sechs der neun Angeklagten passen. Dabei handelte es sowohl um Sperma-, als auch um Speichelspuren.
Nach der Einvernahme der Freundin des Opfers, die die Deutsche zu Silvester vor mehr als einem Jahr nach Wien eingeladen hatte, wurde am Nachmittag die kontradiktorische Einvernahme des Opfers abgespielt, wobei erneut die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde. Obwohl es im Prozessplan einige Verzögerungen gab, ist nun mit einem Urteil am letzten Verhandlungstag, am kommenden Donnerstag, zu rechnen. Der Prozess wegen sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person und Vergewaltigung hat vor einer Woche am Wiener Straflandesgericht begonnen.