Prozess in Wien

In Wien auf Menschen losgefahren - Angeklagter war zurechnungsunfähig

27.02.2020

Anklage lautete auf mehrfachen Mordversuch - Einweisung in Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

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© APA/ALEXANDER FECHTER
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Wien. Weil er im September des Vorjahres versucht hatte, mit einem gestohlenem Kleintransporter Polizisten und ein Urlauberpärchen am Praterstern zu überfahren, ist ein 28-Jähriger am Donnerstag wegen mehrfachen versuchten Mordes am Wiener Landesgericht gestanden. Laut Wahrspruch der Geschworenen war er dabei aber nicht zurechnungsfähig.
 
Der Bulgare wird in eine Anstalt für geistig abnorme Straftäter eingewiesen, wo jährlich über seine Gefährlichkeit und eine mögliche Entlassung entschieden wird. Er nahm das Urteil an, während der Staatsanwalt vorerst keine Erklärung abgab, weshalb es vorerst nicht rechtskräftig ist.
 
Der in Deutschland lebende Mann war mit seinem Großvater auf dem Weg in seine Heimat gewesen, hatte sich aber von diesem getrennt, nachdem er zuvor auf den Älteren losgegangen war. Nach einigen Tagen in Wien nutzte der 28-Jährige am 7. September vor einem Lokal im dritten Bezirk eine günstige Gelegenheit. Er stahl einen Kleintransporter, der gerade vor einem Lokal beladen wurde, um, wie er sagte, nach Bulgarien zu fahren.
 
Bereits auf der Fahrt zum Praterstern touchierte er mehrere Fahrzeuge und blieb mit dem beschädigten Auto auf einem Grünstreifen stehen, wo er einer Streife auffiel. Als ihn die Beamten ansprachen, fuhr er mehrmals direkt auf diese los. Lediglich der Umstand, dass der Rasen durch Regen nass war und sich die Polizisten hinter Stromkästen und Bäume retteten, verhinderte Schlimmeres. Auch ein junges Pärchen aus Luxemburg wurde anvisiert und musste bei Rot über den stark frequentierten Praterstern laufen, um nicht überfahren zu werden. Erst nach einem Schreckschuss versuchte er zu flüchten. Nach einer wilden Verfolgungsjagd wurde er von einem Großaufgebot der Polizei festgenommen.
 
Der Angeklagt stellte in Abrede, absichtlich auf jemanden zugefahren zu sein, konnte sich jedoch kaum an etwas erinnern und machte generell seine Krankheit für das Geschehen verantwortlich. Er habe den Polizisten lediglich Angst einjagen wollen. Seit 2012 leide er an Schizophrenie und habe zum Tatzeitpunkt seine Medikamente abgesetzt.
 
Nach Einvernahme der Zeugen und vor allem dem Abspielen zweier Videos, die von Unbeteiligten angefertigt worden waren, kamen dem psychiatrischen Sachverständigen Wolfgang Soukop Zweifel an der zuvor in seinem schriftlichen Gutachten bescheinigten Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten. "Er wusste, was er tat", sagte der Experte. "Ich kann aber nicht ausschließen, dass die Impulsivität so hoch war, dass sein Drang so groß war, dass dadurch seine Dispositionsfähigkeit den Impulsen nachgeordnet war." Gerade die Videos von der Festnahme würden eine gewisse Irrationalität, eine emotionale Ausweglosigkeit erkennen lassen. Entsprechend sei eine Zurechnungsunfähigkeit doch nicht auszuschließen.
 
Ausgeschlossen wurde von dem Gutachter hingegen eine schizophrene Erkrankung. Vielmehr diagnostizierte Soukop eine "polymorphe psychotische Störung", eine Minderbegabung, der Angeklagte weise einen IQ von lediglich 66 auf, in Zusammenhang mit Cannabismissbrauch und daraus indizierten psychotische Zustände. Zudem stellte der Psychiater eine negative Gefährlichkeitsprognose. Eine strukturierte Behandlung sei nur in einer geschlossenen Anstalt möglich.
 
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