Ein Freund des Wien-Attentäters mimt den Harmlosen
Islamist (23): ''Haben nur Spaß gehabt''
08.10.2022Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gemacht: Prozess gegen einen Ahnungslosen.
Wien. Straflandesgericht, Sitzungssaal 106, Auftritt der Unschuld vom Lande: Das bereits schüttere Haar akkurat gescheitelt, den Vollbart gestutzt, ummantelt von einer Steppjacke von Adidas. Wie ein gefährlicher Islamist sah Argjend G. an diesem Mittwoch tatsächlich nicht aus.
Das sollte der inzwischen 24-Jährige aus St. Pölten auch nicht. Dem Vorwurf der terroristischen Vereinigung sollte schon optisch entgegengewirkt werden.
Und auch sonst passte der Angeklagte nicht so recht ins Bild: Er sprach ruhig, besonnen, gewählt. Als könne es sich beim Prozess unter Hochsicherheitsvorkehrungen nur um ein Missverständnis handeln. Dabei hatten Verfassungsschützer Argjend G. seit seinem 14. Lebensjahr auf dem Schirm, weil er schon als Schüler durch islamistische Äußerungen auffiel.
Fahndungsfoto der Polizei
Dass er sich dennoch ziemlich sicher fühlt, liegt wohl am sogenannten St. Pöltener Terror-Prozess von 2019. Schon damals stand er wegen desselben Vorwurfs vor Gericht, nachdem er versucht haben soll, Kämpfer für den IS anzuwerben. Er kassierte einen klassischen Freispruch.
Den Wiener Attentäter kannte er. Vier Mal war dieser zu Gast in seiner Wohnung, wo er weiter radikalisiert worden sein soll: „Wir haben nur gechillt und Spaß gehabt“, behauptete der Angeklagte. Er habe nichts Radikales gepredigt.
Doch am zweiten Prozesstag zeichnete ein Gutachter ein anderes Bild. Zu beschlagnahmten Büchern des Angeklagten sagte er: „Zwei Bände weisen eindeutig auf eine jihadistische Orientierung hin.“ Aus Chats ließe sich an einer Stelle ein verbales Bekenntnis zum IS ablesen. G. habe außerdem aus IS-Hymnen zitiert, unter welchen Umständen die Tötung von Zivilisten zulässig sei.
In den Chats habe der Angeklagte Österreich als „Haus des Krieges“ kategorisiert und zum Jihad aufgefordert. Er habe auch „Kriegsbeute“ auf Kosten Andersgläubiger für zulässig erklärt und behauptet, selbst eine Zeit davon gelebt zu haben. Das Urteil soll am Dienstag gefällt werden, es gilt die Unschuldsvermutung.