Ex-Diplomat hat sich in seiner Zelle erhängt - Anwalt zweifelt an Suizid.
Der wegen Mordes angeklagte kasachische Ex-Botschafter Rakhat Aliyev ist tot. Wenige Stunden bevor Aliyev als Zeuge in einem Prozess im Straflandesgericht aussagen hätte sollen, beging der Insasse der Justizanstalt Josefstadt in der Nacht auf Dienstag in seiner Einzelzelle nach Justizangaben Selbstmord. Aliyevs Verteidiger äußerten jedoch Zweifel an einem Suizid des 52-Jährigen.
Einzelzelle
Aliyev habe sich in der Nasszelle erhängt, teilte Peter Prechtl, Leiter der Vollzugsdirektion, der APA Dienstagfrüh mit. Dort wurde er um 7.20 Uhr entdeckt. Der Ex-Diplomat befand sich auf eigenen Wunsch in einer Einzelzelle der Sonderkrankenanstalt in der Justizanstalt Josefstadt. "Er galt nicht als selbstmordgefährdet", sagte Prechtl weiter. Im internen System lief Aliyev unter "Grün", was bedeutet, dass er ohne Bedenken alleine in einer Zelle liegen durfte.
"Er dürfte viel an seinen Akten gearbeitet haben", erklärte Prechtl weiter. Die Zelle Aliyevs wurde regelmäßig kontrolliert, allerdings ist die Nasszelle samt WC und Dusche dabei nicht einsehbar. In dieser erhängte sich der frühere Botschafter mit Mullbinden an einem Kleiderhaken.
Aliyev hatte Angst
Der ehemalige kasachische Botschafter in Wien dürfte in der Justizanstalt (JA) Josefstadt Angst gehabt haben. Das gab ein Polizist als Zeuge zu Protokoll, der die von Aliyev angezeigte Erpressung untersucht hatte.
"Er war in Furcht und Unruhe und hatte die Befürchtung, dass die Drohungen wahr gemacht werden", sagte der Chefinspektor im Wiener Straflandesgericht, wo sich zwei Männer verantworten mussten, mit denen sich Aliyev nach seiner Inhaftierung zunächst die Zelle geteilt hatte. Der 52-Jährige, der hinter der Entführung und Ermordung zweier kasachischer Banker stecken soll und der sich deswegen nach Ostern wegen Doppelmordes vor einem Wiener Schwurgericht zu verantworten gehabt hätte, kam am 6. Juni 2014 ins Gefängnis. Seine Mithäftlinge - ein schwer vorbestrafter 41-Jähriger und ein 20-jähriger Bursche - sollen Aliyev ab dem 7. Juni psychisch unter Druck gesetzt und von diesem 3.000 Euro verlangt haben.
Anwalt glaubt an Mord
Nach dem überraschenden Tod des kasachischen Ex-Botschafters Rakhat Aliyev (Shoraz) glaubt sein Anwalt Stefan Prochaska an Mord. "Die Vermutung ist, dass ihn jemand umgebracht hat", sagte Prochaska am Dienstag der APA. Der Zeitpunkt des Todes kurz vor Beginn der Hauptverhandlung gegen Aliyev sei "höchst auffällig". Offenbar sollte verhindert werden, dass die Anklage gegen ihn zusammenbreche.
Er glaube nicht daran, dass Aliyev Selbstmord verübt habe. "Das macht keinen Sinn." In den vergangenen Wochen und Monaten habe er viel Zeit mit seinem Mandanten verbracht, der alles andere als in Selbstmitleid zerflossen sei. "Er war eher der Fighter."
Man habe bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung "viele Löcher in der Anklage gefunden", etwa Zeugen, die ihre Aussage vom Papier abgelesen und diese dann lächelnd mit den Worten "Was für ein interessantes Märchen" kommentiert hätten. Außerdem habe man Hinweise erhalten, dass viele Belastungszeugen geplant hätten, in Österreich Asyl zu beantragen. "Es ist höchst auffällig, dass er sich vor der Verhandlung, in der man das gesehen hätte, hätte umbringen sollen", sagte Prochaska.
Staatsanwaltschaft ordnete Obduktion an
Die Staatsanwaltschaft Wien hat die Obduktion des Leichnams angeordnet. "Es wurden unverzüglich Untersuchungsmaßnahmen gesetzt", gab Behördensprecherin Nina Bussek auf Anfrage der APA bekannt.
Am Dienstagvormittag wurde die Zelle, in der am Morgen die Justizwache die Leiche entdeckt hatte, von einer Tatortgruppe des Landeskriminalamts untersucht. Auch der diensthabende Journalstaatsanwalt nahm an diesem Lokalaugenschein teil. Um die Frage zu klären, was sich in Aliyevs Haftraum - der frühere kasachische Botschafter in Wien war in einer Einzelzelle untergebracht, die über Nacht verschlossen war - abgespielt hat, wurden auf Betreiben der Staatsanwaltschaft auch erste Einvernahmen durchgeführt. Befragt wurden "Personen, die als Auskunftspersonen infrage kommen könnten", sagte Bussek.
Unmittelbar vor Aussage
Aliyev war der ehemalige Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, bei dem er wegen eines angeblichen Putschversuches in Ungnade fiel. Dem früheren kasachischen Botschafter in Wien (2002-2005; 2007) wurde vorgeworfen, in die Ermordung zweier Banker Anfang 2007 in Kasachstan verwickelt gewesen zu sein. In Kasachstan wurde Aliyev, der inzwischen den Namen seiner Ehefrau angenommen hatte und sich Shoraz nannte, 2008 wegen Mordes und Erpressung zu 40 Jahren Haft verurteilt.
In Österreich ermittelt die Justiz seit 2011 in dem Fall. Eine Auslieferung nach Kasachstan wurde wegen der dortigen Menschenrechtslage abgelehnt.
Am heutigen Dienstag hätte Aliyev gegen zwei Mithäftlinge aussagen sollen, die laut Anklage den Ex-Botschafter erpresst haben sollen. Demnach erklärten sie Aliyev, wenn er überleben wolle, müsse er 3.000 Euro bezahlen, ansonsten könne ihn jemand während des Waschens im Duschraum umbringen und dies wie einen Selbstmord aussehen lassen.