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14 Festnahmen nach Terror in Wien - alle Infos zum Attentat
03.11.2020Vier Zivilisten und Attentäter ums Leben gekommen ++ Wohnung von Terroristen mit Sprengstoff geöffnet und Hausdurchsuchung durchgeführt
Der erschossene Attentäter von Wien war 20 Jahre alt, Doppelstaatsbürger mit nordmazedonischen Wurzeln und nach einer Verurteilung wegen terroristischer Vereinigung im Dezember vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen worden. Das gab Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag bekannt. Nach dem Anschlag von Montag sind bisher vier Todesopfer zu beklagen. Die Bundesregierung beschloss eine dreitägige Staatstrauer.
Das Innenministerium nannte den Namen Kujtim Fejzulai. Es habe sich bei ihm zweifelsfrei um einen Anhänger der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) gehandelt. Er wurde am 25. April 2019 zu 22 Monaten Haft verurteilt, weil er versucht hatte, nach Syrien auszureisen, um sich dort dem IS anzuschließen.
Am 5. Dezember 2019 wurde er vorzeitig bedingt entlassen - er galt als junger Erwachsener und fiel damit unter die Privilegien des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). Von Polizeikräften erschossen wurde der 20-Jährige Montagabend in der Nähe der Ruprechtskirche, teilte der Innenminister mit.
18 Hausdurchsuchungen
Wie Nehammer im Gespräch mit der APA darlegte, fanden umfangreiche Großrazzien im Umfeld des Täters statt. Konkret wurden 18 Hausdurchsuchungen vorgenommen und mehrere Personen festgenommen. Der Attentäter besaß neben der österreichischen auch die nordmazedonische Staatsbürgerschaft. "Er war mit einer Sprengstoffgürtel-Attrappe und einer automatischen Langwaffe, einer Faustfeuerwaffe und einer Machete ausgestattet, um diesen widerwärtigen Anschlag auf unschuldige Bürgerinnen und Bürger zu verüben", erklärte der Innenminister. Unklar bleib weiter, ob es Mittäter gab oder nicht.
Die österreichische Bundesregierung beschloss in einer Sondersitzung eine dreitägige "Staatstrauer". Bis inklusive Donnerstag werden die öffentlichen Gebäude mit Trauerbeflaggung versehen. Für Dienstag 12 Uhr war eine Schweigeminute geplant, in ganz Wien sollten laut katholischer Kirche die Kirchenglocken läuten. In den Schulen will man am Mittwoch zu Unterrichtsbeginn der Todesopfer gedenken, ging aus dem Ministerratsvortrag hervor.
"Anschlag auf die Freiheit"
Das Attentat bezeichnete die Regierung als "Anschlag auf die Freiheit und Demokratie". Man werde mit allen verfügbaren Kräften an der weiteren Aufklärung der Situation arbeiten. Und: "Die Republik Österreich und wir als Bundesregierung werden die Freiheit, die Demokratie und die Werte unseres Zusammenlebens entschlossen und mit allen gebotenen Mitteln verteidigen. Darüber hinaus werden wir mit unseren internationalen Partnern und Freunden gemeinsam gegen Terrorismus und Extremismus ankämpfen."
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wandte sich in einer Rede an die Bevölkerung. Er sprach von einem Anschlag aus "Hass auf unser Lebensmodell" und einem "Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei".
7 Opfer in Lebensgefahr
Der Gesundheitszustand des bei dem terroristischen Anschlag verletzten Polizisten war Dienstagfrüh weiterhin kritisch, aber stabil. In den Wiener Krankenhäusern wurden 17 Menschen versorgt. Seitens der Polizei standen anschlagbezogen 1.000 Polizisten im Dienst, wobei Beamte aus Niederösterreich und dem Burgenland beigezogen wurden. Die städtische Infrastruktur und öffentliche Räume wurden gesichert, zum Objektschutz stellte das Bundesheer 75 Soldaten ab.
Sturmgewehr, Pistole und Machete
Der mit einem automatischen Sturmgewehr, einer Pistole und einer Machete bewaffnete und bereits identifizierte Attentäter hatte laut dem Innenminister auch eine Attrappe eines Sprengstoffgürtels getragen. Noch in der Nacht wurde seine Wohnung mit Sprengstoff geöffnet und eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Die Frage, ob sich bei einer von Zeugen wahrgenommenen Detonation in der Nacht in Simmering, um diese Wohnungsöffnung gehandelt haben könnte, wurde vom Innenminister nicht verneint.
Die Wiener Innenstadt war in den Morgenstunden wieder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Die Schulen befanden sich in ganz Wien im "Notbetrieb". Die Schulpflicht wurde in Absprache mit dem Innenministerium für den Dienstag aufgehoben.
Der Angriff hatte gegen 20 Uhr im belebten Ausgehviertel Bermuda-Dreieck in der Wiener Innenstadt begonnen, in dem kurz vor Beginn neuer Corona-Ausgangssperren und bei lauem Wetter viele Menschen unterwegs waren. Nach dem ersten Notruf bei der Polizei und dem Eintreffen der Einsatzkräfte kam es in weiterer Folge zu Schießereien zwischen der Polizei und dem oder den Täter/n.
Am Bundeskanzleramt und der Präsidentschaftskanzlei wurden Dienstagfrüh die Flaggen auf Halbmast gesetzt. Auch an allen Ministerien und öffentlichen Gebäuden war das der Fall. National und international zeigten sich Politiker entsetzt über den blutigen Anschlag und erklärten sich solidarisch mit Österreich. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bedankte sich bei den Einsatzkräften und kondolierte den Angehörigen der Opfer.
Schüsse an insgesamt sechs Tatorten