Beamter wollte den 30-Jährigen am Weiterfahren hindern, dann soll der Angeklagte einfach Gas gegeben haben.
Ein 30-jähriger Mann, der am 10. Jänner 2025 mit seinem Motorrad in Wien-Wieden einen Polizeibeamten niedergefahren und verletzt hatte, ist am Mittwoch am Landesgericht rechtskräftig zu zwei Jahren unbedingter Haft verurteilt worden. Der Beamte hatte sich ihm in den Weg gestellt, um den Motorradfahrer aus dem Verkehr zu ziehen, der zuvor infolge einer unkontrollierten Fahrweise einer Polizeistreife aufgefallen war.

Indem er am Gehsteig weiterfuhr, hatte der 30-Jährige vor der Polizei zu flüchten versucht. Grund: Er besitzt keinen Führerschein. Außerdem war er mit gestohlenen Kennzeichen unterwegs, die er von einem geparkten Auto abmontiert hatte.
"Er hat voll Gas gegeben und mich frontal erwischt"
Die Verfolgungsjagd erstreckte sich über etliche Straßenzüge zwischen dem Hauptbahnhof und dem Matzleinsdorfer Platz. Während der Lenker der 125-Kubik-Maschine einem Streifenwagen zu entwischen trachtete, stellte sich ihm in der Argentinierstraße plötzlich ein Polizist in den Weg. "Mein Plan war, ihn vom Roller zu ziehen. Er hat mich gesehen. Er hat voll Gas gegeben und mich komplett frontal erwischt", schilderte der 27-jährige Beamte dem Richter.
Nach dem Zusammenprall krachte das Motorrad in die Auslagenscheibe eines Hotels, der Lenker blieb weitgehend unverletzt und konnte festgenommen werden. "Für mich ist es glimpflich ausgegangen", erklärte der Polizist, der diesen Umstand auf seine Schutzweste zurückführte. Er erlitt lediglich eine Prellung am linken Knie und Prellungen und Hämatome an den Ellenbogen. Seit 23. Jänner ist er wieder im Dienst.
Bei erster Verfolgungsjagd im Sommer entwischt
Im Zuge der weiteren Erhebungen stellte sich dann heraus, dass der Motorradfahrer sich bereits am 23. Juli 2024 mit seinem Gefährt eine Verfolgungsjagd mit anderen Exekutivkräften geliefert hatte, die ihn ebenfalls einer Verkehrskontrolle unterziehen hatten wollen.
Diese Raserei erstreckte sich durch halb Wien, wobei der 30-Jährige Kreuzungen bei Rotlicht passierte, teilweise den Gehsteig benutzte und Fußgänger, die vorschriftsmäßig einen Schutzweg überquerten, in Gefahr brachte, indem er nicht anhielt. Als sich ihm in der Schönbrunner Straße ein Polizeifahrzeug quer mit geöffneten Türen in den Weg stellte, lenkte er seine Maschine absichtlich gegen eine Türe, um seine Fahrt fortsetzen zu können.
Aufgrund dieser ersten Raserei, bei der dem 30-Jährigen die Flucht geglückt war, wurde am 11. Jänner über ihn wegen Tatbegehungsgefahr die U-Haft verhängt. Der aus Tschetschenien stammende Angeklagte bekannte sich nun zur Gefährdung der körperlichen Sicherheit in zwei Fällen, zum zweifachen Widerstand gegen die Staatsgewalt und zur schweren Körperverletzung schuldig.
Er verwies in seiner Einvernahme auf "chronische Depressionen", die er auf seine Kindheit und Jugend in Grosny zurückführte: "Ich wurde unter russischen Bomben geboren. Ich bin ein schwer traumatisierter Junge. Ich hab' meine Traumata nie aufgearbeitet."
"Motorrad gibt mir manchmal ein Freiheitsgefühl"
Gegen seine "Dämonen" habe er sich im vergangenen Juni ein Motorrad gekauft: "Das Motorrad gibt mir manchmal ein Freiheitsgefühl, das mir sonst nichts geben kann. Das war das Einzige, das mich aus diesem tiefen Loch herausgeholt hat." Der 30-Jährige betonte, er habe niemanden gefährden oder gar verletzen wollen. Dem Polizisten habe er ausweichen wollen, behauptete er.
Dass er andere Verkehrsteilnehmer, darunter Passanten, in Gefahr brachte, sei ihm entgangen: "Anscheinend habe ich es unter Adrenalin nicht bemerkt." Außerdem sei er bei beiden inkriminierten Fahrten unter dem Einfluss von Drogen gestanden: "Zu meinem Leidwesen setze ich unter Drogen keine rationalen Handlungen."
Bei einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren erachtete der Richter eine unbedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren als "gerade noch schuld- und tatangemessen", wie er betonte. Der 30-Jährige wies vier einschlägige Vorstrafen auf. 2015 war er in Paris wegen Diebstahls unter Gewaltanwendung, Entführung und Freiheitsberaubung zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Nachdem er diese verbüßt hatte, kehrte er nach Österreich zurück, wo er erstmals 2010 strafgerichtlich abgeurteilt worden war.