Wien. Am Freitagabend haben insgesamt sechs Schubhäftlinge in einer Zelle des Polizeianhaltezentrums Hernalser Gürtel Feuer gelegt. Teile des Gebäudes mussten evakuiert werden, berichtet die Polizei. Die Lerchenfelder Straße ist während des Einsatzes komplett gesperrt.
Die ausgebrannte Zelle
Das Feuer war um 22.30 Uhr im ersten Stock des Polizeianhaltelagers in einer Zelle gelegt worden, die laut Polizei von fünf Afghanen und einem Iraner belegt war. Die fünf Afghanen sind 18 bis 33 Jahre alt. Beim sechsten Schwerverletzten handelt es sich um einen 30-jährigen Iraner. Zwei mussten künstlich beatmet werden, alle sechs wurden auf Intensivstationen von drei Wiener Spitälern untergebracht. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich um einen Suizidversuch handelte: Laut Polizeisprecher Harald Sörös wurde ein angesengter Abschiedsbrief gefunden.
Alle Betroffenen wurden schwer verletzt und in die Intensivstation eingeliefert. Einer musste intubiert werden. Insgesamt wurden 39 Häftlinge evakuiert.
Das Polizeianhaltezentrum Wien-Josefstadt
Es wurden starke Polizeikräfte, 50 bis 60 Polizisten im Regeldienst, dazu je 20 Beamte der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung und der Bereitschaftseinheit, herangezogen.
"Zunächst bestand kurzfristig der Verdacht, dass einer der Insassen die Zelle verlassen und sich die anderen verbarrikadiert hatten", schilderte Sörös. Das stellte sich aber schnell als unrichtig heraus. Die Insassen ließen es sofort zu, dass die Tür der Zelle geöffnet wurde. Ein Häftling wurde von den Polizisten geborgen, dann übernahm die Wiener Berufsfeuerwehr.
20 WEGA-Beamte im Einsatz
„Wir sind sofort mit allen Kräften in den achten Bezirk gefahren“, so ein Sprecher der Polizei zu ÖSTERREICH. Die Polizei setze Atemschutzgeräte ein. Es waren rund 60 Polizeibeamte im Einsatz, davon rund 20 von der Sondereinheit WEGA.
Schubhaft-Zentrum am Hernalser Gürtel
Weitere 39 Häftlinge evakuiert
Die Flammen waren schnell gelöscht. Wegen der starken Rauchentwicklung wurden 39 weitere Häftlinge aus dem ersten Stock des PAZ evakuiert. Bei 14 von ihnen bestand zunächst der Verdacht auf Rauchgasvergiftung, daher wurden sie von der Berufsrettung begutachtet. Auch ein Polizist wurde auf eine Rauchgasvergiftung überprüft, bei ihm wurde aber Entwarnung gegeben. Die Feuerwehr kontrollierte das Gebäude auf Rauchgase.
Feuerwehr und Rettung vor Ort im Einsatz
Feuer in Polizeianhaltezentrum Wien-Josefstadt
Die Berufsrettung brachte laut ihrem Sprecher Andreas Huber die sechs Schwerverletzten in verschiedene Wiener Krankenhäuser. Sie dürften nach ersten Informationen zwischen 19 und 40 Jahren alt sein. Zwei mussten künstlich beatmet werden, alle sechs wurden auf Intensivstationen untergebracht. Die Berufsrettung war mit einem Großaufgebot am Einsatzort. Unter den rund 20 Einsatzfahrzeugen waren auch die Wagen des Katastrophenzuges.
Der innere Gürtel war einige Zeit für den Verkehr gesperrt. Zahlreiche Wägen von Polizei und Rettung blockierten die Fahrbahn. Erst nach Mitternacht war die Strecke wieder passierbar.
Ermittler zweifeln an Gruppen-Suizidversuch
Am Tag nach einem gelegten Brand in einer Zelle des Wiener Polizeianhaltezentrums (PAZ) Hernalser Gürtel sind den Ermittlern Zweifel an der Version des kollektiven Suizidversuchs der Zelleninsassen gekommen. Die sechs Männer sollen, nachdem sie Matratzen und Bettzeug angesteckt hatten, sich im angeschlossenen Waschraum eingeschlossen und versucht haben, diesen mit einem Fetzen abzudichten.
Das Feuer war gegen 22.30 Uhr in der Nacht auf Samstag in einer Zelle im ersten Stock des PAZ ausgebrochen. Sechs Zelleninsassen - fünf Afghanen und ein Iraner - hatten den Brand gelegt und die Zellentür mit einem Spind blockiert. Polizisten drangen dennoch in den Raum ein und fanden einen der Schubhäftlinge reglos auf dem Boden. Ihn bargen die Beamten, die anderen fünf wurden von der Wiener Berufsfeuerwehr in Sicherheit gebracht.
Polizei: "Schubhäftlinge wollten Zeichen setzen"
Die Ermittler fanden bei einer ersten Begehung einen stark angesengten DIN-A5-Zettel auf dem Boden. Darauf legten die Schubhäftlinge die Beweggründe für ihre Tat dar, nämlich dass sie wegen der drohenden Abschiebung perspektivlos seien und keine Geduld mehr hätten. Auch Abschiebetermine - offenbar soweit schon bekannt - hielten sie in dem Schreiben fest. Die Ermittler dachten zunächst an einen Abschiedsbrief und an einen kollektiven Suizidversuch.
Das bestätigte sich laut Polizeisprecher Harald Sörös bei weiteren Ermittlungen aber nicht. Die sechs Schubhäftlinge dürften das Feuer in der Zelle gelegt und dann in den Waschraum gegangen sein. Bei diesem handelt es sich um einen an die Zelle angeschlossenen Nassraum mit eigener Tür. Vor diese legten sie einen Fetzen, offenbar um zu verhindern, dass Rauchgase in den Nassraum eindrangen. Schließlich schlossen sie die Tür. Söörös zufolge deutet dieser Hergang eher darauf hin, dass die Schubhäftlinge auf ihre Situation aufmerksam machen und ein Zeichen setzen wollten.
Weil der Stoff die Nasszelle nicht wirklich abdichtete, lief einer der Schubhäftlinge zur Tür, um Hilfe zu holen. Das dürfte jener Insasse gewesen sein, den die Polizisten hinter der Zellentür liegend gefunden und geborgen hatten.
Abschiedsbrief
Alle sechs Schubhäftlinge unterschrieben einen gemeinsam verfassten Abschiedsbrief. Wie die Polizei berichtet sind nur noch Auszüge leserlich erhalten. Darin steht in gebrochenen Deutsch in etwa: "Nix gutes Leben hier... Schubtermin steht bevor... Hatten keine Geduld..."
Aktuell werden zwei der Schwerverletzten künstlich beatmet und schweben in Lebensgefahr.
Details zu Insassen
Sörös gab auch Details zu den Insassen, die sich alle nicht mehr in Lebensgefahr befanden, bekannt. Einer der Afghanen, ein 19-Jähriger, ist demnach auch schon einmal in Hungerstreik getreten. Er befand sich seit 3. August in Schubhaft, hatte aber noch keinen Termin für seine Abschiebung. Er war es auch, der am schwersten verletzt wurde: Neben einem Inhalationstrauma erlitt er Verbrennungen von zehn Prozent der Hautoberfläche.
Der jüngste Insasse war ein 18-jähriger Afghane, der seit 23. Juli in Schubhaft saß. Er sollte am 17. September abgeschoben werden. Dieser Mann erlitt ebenfalls ein Inhalationstrauma. Daneben hatte nur noch ein Insasse einen Abschiebungstermin: der einzige Iraner in der Zelle, 30 Jahre alt. Er sollte am 19. September außer Landes gebracht werden und befand sich seit 6. September in Schubhaft. Sein Gesundheitszustand war am Tag nach dem Feuer ebenso wie der der drei übrigen Insassen stabil, so Sörös.
Bei diesen drei anderen handelt es sich um Afghanen im Alter von 22, 31 und 33 Jahren. Der 31-Jährige saß seit 24. Juli in Schubhaft, der 22-Jährige seit 14. und der 33-Jährige seit 29. August. Alle drei hatten noch keinen Termin für die Abschiebung.
Die Möglichkeit, Feuer zu machen, stellt im Polizeianhaltezentrum grundsätzlich kein großes Problem dar. "Es gibt grundsätzlich zwischen 8.00 und 17.00 Uhr einen offenen Vollzug", erläuterte Sörös. Die Häftlinge könnten sich in diesem Zeitraum in dem jeweiligen Block frei bewegen. "Es ist ja kein Strafvollzug, sondern die Schubhaft dient ausschließlich der Verfahrenssicherung", sagte der Polizeisprecher. Es gibt außerdem Raucher- und Nichtraucherzellen, in die jeder zu den angebenen Zeiten hineingehen kann. Daher fällt auch der Zugang zu Feuerzeugen oder Zündhölzern nicht schwer.
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