Wien-Fünfhaus
Polizei soll Diebstahlopfer verprügelt haben
12.09.2014
Statt als Opfer befragt zu werden, landete der Mann im Spital.
Weil einem Bautechniker in einem Bordell in Wien-Fünfhaus seine Brieftasche mit 2.500 Euro abhandengekommen war, wurde am 29. März 2014 die Polizei gerufen. Diese nahm den 34-Jährigen mit auf ein Kommissariat, wo er als Diebstahlsopfer zeugenschaftlich befragt werden sollte. Stattdessen landete er mit einem gebrochenen Kiefer im Spital. Sein Anwalt erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Polizei.
Grundlos zusammengeschlagen
Sein Mandant sei auf dem Wachzimmer grundlos zusammengeschlagen worden, sagte Rechtsanwalt Karl Bernhauser: "Er musste im Krankenhaus behandelt werden und war vier Wochen im Krankenstand." Bernhauser kündigte eine Amtshaftungs-Klage an: "Wir werden selbstverständlich schadenersatzrechtliche Ansprüche geltend machen."
Auf Fotos, die den 34-Jährigen nach dem Aufenthalt im Wachzimmer zeigen, sieht dieser aus wie ein lädierter Boxer nach einem verlorenen Kampf im Ring. Bernhauser will die in die Amtshandlung involvierten Beamten auch strafrechtlich belangen: "Ich werde eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung, Verleumdung und falscher Zeugenaussage einbringen."
Widersprüchliche Aussagen
Ursprünglich hatte sich nämlich der Bautechniker auf Basis einer Anzeige der Polizei wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung im Straflandesgericht zu verantworten. Die Polizisten warfen ihm vor, sich bereits im Bordell ungebührlich verhalten und eine 26 Jahre alte Beamtin beschimpft zu haben, was dieser bestreitet. Der 34-Jährige verdächtigte einen in dem Etablissement anwesenden Bekannten, ihm seine Brieftasche gestohlen zu haben, während er sich mit einer Prostituierten vergnügte. Er soll daher die Besatzung der eingetroffenen Funkstreife mit Nachdruck aufgefordert haben, den Mann zu durchsuchen.
Die Beamtin habe ihm allerdings "Hoit die Gosch'n" geantwortet und ihn geduzt, hatte der 34-Jährige in seiner Verhandlung beim Prozessauftakt Anfang Juni erzählt. Er habe von ihr verlangt, dieses Verhalten einzustellen, und mit seinem iPhone ihre Schimpfworte aufzuzeichnen begonnen. Darauf habe die Polizistin Verstärkung angefordert.
Nicht weniger als drei Funkstreifen-Besatzungen brachten den 34-Jährigen, seinen Bekannten und die Prostituierte schließlich zur Klärung der Sachlage aufs Kommissariat. Während der Bautechniker behauptet, die Beamtin habe ihn im Vernehmungszimmer weiter beschimpft und beleidigt, sagt diese, der Mann sei nicht zu beruhigen gewesen und habe verlangt, sie möge sofort ein Protokoll anfertigen. Weil sie dem nicht sogleich nachkam, habe er ihr eine "gelangt" und gegen sie "aufgerieben". Da seien ihre Kollegen eingeschritten, um den Mann an weiteren Gewalttätigkeiten zu hindern.
Opfer hat andere Version
Der 34-Jährige selbst erzählt die Geschichte demgegenüber folgendermaßen: Als er die Vorgänge im Vernehmungszimmer neuerlich mit seinem iPhone dokumentieren wollte, seien die Polizisten zu sechst gegen ihn vorgegangen. Man habe ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, ihn zu Boden befördert, in Rückenlage fixiert und ihm Fuß- und Handfesseln verpasst. Er habe "nur Blut gespuckt."
Dass er einem hünenhaft gewachsenen, durchtrainierten 31-jährigen Polizisten einen Faustschlag verpassen wollte, wie ihm dieser unterstellt, sei nicht wahr. Der Polizist behauptet, er habe den gegen ihn gerichteten Schlag geblockt und dem 34-Jährigen in einem "Reflex" eine aufs Jochbein gegeben.
Im Zweifel freigesprochen
Für Richterin Elisabeth Reich, die über ein schuldhaftes Verhalten des 34-Jährigen zu entscheiden hatte, reichte die Beweislage nicht aus, um den Bautechniker zu verurteilen. Ihr waren die Aussagen der Polizisten zu widersprüchlich, um den Mann im Sinn der Anklage schuldig erkennen zu können. Der Bautechniker wurde daher in der Vorwoche im Grauen Haus vom Widerstand der Staatsgewalt und dem Vorwurf, den 31 Jahre alten Polizisten verletzt zu haben, freigesprochen. "Und zwar nicht im Zweifel", wie sein Rechtsvertreter Bernhauser in diesem Zusammenhang betont.
Die Staatsanwaltschaft war mit dieser Entscheidung einverstanden. Der Freispruch ist mittlerweile rechtskräftig. Bernhauser möchte nun auch klären lassen, was aus den mit dem iPhone angefertigten Mitschnitten seines Mandanten geworden ist. Als der 34-Jährige nach seiner Spitalsbehandlung wieder Zugriff auf das Gerät hatte, waren die Tonaufzeichnungen gelöscht. Der Anwalt will folglich von der Staatsanwaltschaft auch prüfen lassen, ob seitens der Polizei ein Beweismittel im Sinne des Paragraf 295 Strafgesetzbuch (StGB) unterdrückt wurde.